Zur den Bestrebungen einer Kreisreform
Eine Lebenskrise besteht meist nicht aus einer Ursache allein, sondern ist die Folge einer Entwicklung, die sich aus unterschiedlichen Ursachen und Rückschlägen aufbaut.
Ähnliches gilt für eine Identitätskrise, und nicht weniger ernst sollte man sie nehmen. Ein einziges Problem wie die Zusammenlegung von mehreren Landkreisen zu einem muss noch nicht zu einer solchen Krise führen, sehr wohl aber die Aneinanderreihung von vielen Frustrationen über die Jahre durch sogenannte Reformen und immer größere Verwaltungseinheiten. Denn damit wurden uns Stück für Stück der Durchblick und die Mitbestimmung genommen.
Aus den Beobachtungen der letzten drei Jahre Politik in LDS müssen wir feststellen, dass der Bürgerwille vor Ort nicht gern gehört wird – ja eher stört, und dass wir (immer unter dem Schirm der guten parlamentarischen Demokratie) ruhiggestellt werden. De facto gibt es schon jetzt kaum Möglichkeiten, an unserem Ort, in unserer Gemeinde Sinnvolles in unserem Sinne zu bewegen. Scheinheilige Offenlegung oder Abstimmung von Anträgen, die bereits längst durchgewunken oder in Kraft gesetzt worden sind (Eintrittsgeld Freibad Neue Mühle!), Gutachten durch »eingekaufte« Gutachter (Umweltgutachten zu Windenergieanlagen im Wald), Pseudo-Bürgerbeteiligung und das Hinhalten bei berechtigten Fragen oder Forderungen der Bürger gehören zum Alltag in vielen Gemeinden.
Die Informationskultur wurde in gleichem Maß heruntergefahren wie die Verwaltungseinheiten größenmässig wuchsen.
Nun sollen also mit den Kreisfusionen noch höhere Hürden erstellt werden. Wenn zukünftig zum Beispiel ein Vorhaben zur Bürgereinsicht ausgelegt wird, und die Bürgerinnen und Bürger dann 150 km kreuz und quer durch »ihren« Landkreis fahren müssten, um sich zu informieren – wer könnte das dann noch? Wer täte das dann noch? Welcher Einwohner würde noch einer Kreistagssitzung beiwohnen, wenn er dafür stundenlang unterwegs ist? Wieviele Themen können denn überhaupt auf einer solchen Kreistagssitzung behandelt werden – doch nicht etwa die doppelte Anzahl wie heute? Fallen also regionale Belange unter den Tisch? Das muss uns doch erst einmal jemand erklären, wie dann noch Politik VOR dem Volk und MIT dem Volk gemacht wird. Und an welchem Ende dann eigentlich gespart wird. Denn darum geht es doch bei der ganzen Sache, oder?
Dass Fusionen auch zu bestimmten momentanen Tendenzen im politischen Gefüge Deutschlands beitragen, könnte man vermuten; dass aber der gemeinschaftliche Zusammenhalt immer stärker leidet und damit ein Kerngedanke unserer Gesellschaft, ist eine Tatsache und betrifft uns alle. Großkreise schaden der Wahrnehmung kommunaler Ehrenämter, auf denen mittlerweile ein Großteil gesellschaftlicher Fürsorge ruht. Vertrauen schwindet, Zuversicht auch.
Bereits frühzeitig hat wohl auch unsere brandenburgische Landesregierung erkannt, dass bei »unfreiwilligen« Gebietszusammenlegungen der allgemeinen Stimmung entgegen gewirkt werden muss. Ihr Ministerium des Inneren und für Kommunen schlägt in einem Papier »Verwaltungsstrukturreform 2019« vom 22. Mai 2015 zur Kreisgebietsreform interessanterweise Folgendes vor:
Selbstbewusste Ortsteile erleichtern freiwillige Fusionen
1. Ausweitung der Entscheidungsrechte der Ortsbeiräte, insbesondere durch Ortsteilbudgets für kleinere Investitionen (z.B. Spielgeräte für die örtliche Kita)
2. Rechte der Ortsvorsteherinnen und -vorsteher stärken, z.B. Akteneinsicht, Frage- und Antragsrecht in der Gemeindevertretung (wie Gemeindevertreter)
3. Hauptamtlich Beschäftigte der Gemeinde- oder Amtsverwaltung sollen für ihre Tätigkeit als Ortsvorsteherinnen und -vorsteher eine angemessene Anrechnung als Arbeitszeit erhalten.
4. Möglichkeit der Gemeinde, in größeren Ortsteilen (> 3.000 Einwohner) hauptamtliche Ortsvorsteherinnen und -vorsteher vorzusehen
5. Servicestellen der Gemeindeverwaltung in den Ortsteilen.
Den hier genannten Maßnahmenkatalog können wir 1:1 unterschreiben!
Jedoch: wir sind der Meinung, dass diese Maßnahmen umgehend umgesetzt werden sollen –Kreisfusion hin oder her! Denn, wie gesagt, der Identitätsverlust ist bereits in vollem Gange und müsste dringend aufgehalten werden.
Wir wollen sehen, wie unsere Stadt dazu steht – und ob sich unsere Landesregierung an ihre eigenen Vorschläge erinnert.
PS: Und übrigens, falls es noch nicht klar ist, wir sind gegen eine Fusion von Landkreisen, insbesondere gegen die Fusion unseres Landkreises DS mit TF. Was unsere Kollegen in Teltow-Fläming genauso sehen. Und stehen Zwangsehen in Deutschland etwa nicht unter Strafe?