Wenn ein Satzungsentwurf zum Aufreger (gemacht) wird …
Weder gehört unsere Kommune – anders als beispielsweise Schwerin in Mecklenburg – Vorpommern – zum Weltkulturerbe, noch weist sie eine Vielzahl von Denkmälern baulicher Art auf. Und diejenigen, die in der Liste unseres Landkreises ausgewiesen werden und damit besonderen Schutz bekommen sollen, haben es bezüglich ihrer Erhaltung oftmals ebenfalls schwer. Aus verschiedenen Gründen – wie Zielkonflikte, historisches und/oder städtebauliches Nichtwissen (auf der Seite von Bürgern, Kommunalpolitikern, aber ggf. auch von Stadtverwaltungen), zusätzlicher finanzieller, materieller, zeitlicher Aufwand mit und ohne Behörden, Fragen zu Fördermitteln, Sorge vor Einschränkungen im Umgang mit dem Eigentum. Davon zeugen nach meiner Interpretation gerade erst jüngste Beschlüsse in der SVV zum Dorfanger Niederlehme und darauf einsetzende Reaktionen aus der Einwohnerschaft, betreffend etwa den Beschluss zum Entwurf einer Erhaltungs- und Gestaltungssatzung für dieses bauliche Ensemble: eines kleinen Juwels nicht nur für Niederlehme, sondern für unsere Kommune insgesamt. Ein Erbe – hinterlassen von zahlreichen Generationen vor uns. Nicht nur für heutige, sondern ebenso für künftige Generationen (unabhängig davon, ob es jeder Bürger so sieht). https://sessionnet.owl-it.de/koenigs_wusterhausen/bi/si0057.asp?__ksinr=8592
Zur Erinnerung und Einordnung: Dieser Beschluss ist als ein Ergebnis eines Analyse-, Diskussions- und Entscheidungsprozesses entstanden, in dem vor allem Einwohnerinnen und Einwohner sowie Stadtverordnete miteinander gearbeitet bzw. Kontakt zur Denkmalbehörde unterhalten haben, wichtige Überlegungen einbringend, kritisch abklopfend, mehrere kommunalpolitische Gremien nutzend. https://sessionnet.owl-it.de/koenigs_wusterhausen/bi/si0057.asp?__ksinr=7332 Und nun zielt der in der SVV mehrheitlich angenommene Beschluss auf Fortsetzung des gemeinsamen Prozesses: diesmal mittels gründlicher Diskussionen über einen meines Erachtens relativ offenen Satzungsentwurf (vgl. im Gegensatz dazu die Gestaltungssatzung Innenstadt von Königs Wusterhausen). Der Text für den Dorfanger Niederlehme heißt – das sei betont – Entwurf, nicht Endfassung – weil er in vorliegender Fassung eben noch nicht abgeschlossen, nicht endgültig ist. Weil auch Bürgerinnen und Bürger unserer gesamten Kommune den Prozess zwecks Überarbeitung, Veränderung des Entwurfs ausschreiten können, sofern sie es wollen; und Prozess und Entwurf der Satzung bieten besonders Anliegern, den von der Satzung künftig direkt Betroffenen, Raum für ihre prüfende, abwägende Sicht, für Argumentationen und Gegenargumentationen, für ihre Ängste allgemein, ebenso bezüglich ihres eigenen Grundstücks, für die Aufklärung von Missverständnissen, für Vorschläge, Einwendungen, Korrekturen usw. So kann sich Meinungsbildung vollziehen, Verständnis in der Sache entwickeln und die nächste Entscheidung solide vorbereitet werden. Das allerdings in vorgegebener zeitlicher Frist, die eingehalten werden muss. Das wird in diesem Lande noch immer als demokratische Verfahrensweise gewertet. Als eine Form des zivilisierten Umgangs miteinander im Zuge des Erörterns, des Argumentierens – eine zivilisierte Form, die Emotionen einschließt, in der vom Grundsatz her jedoch kein Platz zu sein hat für persönliche Herabsetzung, Anfeindungen oder Angriffe auf andere Personen, deren Auffassungen und Interessen von eigenen abweichen. Wird diese Verfahrensweise nicht vorsätzlich amputiert, sondern tatsächlich konsequent eingehalten, kostet sie Zeit; denn sie erfordert von Beteiligten in unterschiedlicher Weise, sich möglichst kundig zu machen über die Sachverhalte, um die es hier geht, Informationen, Stellungnahmen einzuholen von dafür zuständigen Behörden, von Fachleuten sowie entsprechende kommunalpolitische Gremien ohne Einschränkung wirksam werden zu lassen. Und genau das betrifft auch die Beschlüsse zum Dorfanger in Niederlehme, nun den Beschluss zum Entwurf der Erhaltungs- und Gestaltungssatzung (im Beschlusstext wird eimal von Gestaltungssatzung, dann von Erhaltungs-und Gestaltungssatzung geredet).
Zum zeitlichen Ablauf: Nach vernehmbaren Äußerungen aus dem Kreis von Anliegern des Dorfangers Niederlehme – von mir im Original gehört – zweifele ich allerdings daran, dass sie sich im angedeuteten Sinne ausreichend „schlau“ gemacht haben (das vermutlich aus unterschiedlichen Gründen). Das gilt meines Erachtens auch für die Bürgerin B., die stellvertretend für weitere Personen in der Einwohnerfragestunde im Stadtentwicklungsausschuss am 10. Februar 2025 das Wort ergriff – mit der Bitte an die Stadtverordneten, den bereits getroffenen Beschluss wieder zurückzunehmen. Darin sehe ich vor allem Aktionismus, maßgeblich erwachsen aus Versäumnissen dieser Gruppe, sich zuvor an der Diskussion und Meinungsbildung zu beteiligen; denn hierzu bot der konzentrierte kommunalpolitische Verlauf Möglichkeiten und Hinweise: In der Zeit vom 7. November 2024 (Ortsbeirat Niederlehme) bis zum 16. Dezember 2024 (SVV-Beschlussfassung) wurde die Erhaltungs- und Gestaltungssatzung in mehreren Gremiensitzungen öffentlich beraten, so im Ortsbeirat Niederlehme am 28.November 2024 (Anhörung des Ortsbeirates Niederlehme), am 2. Dezember 2024 im Hauptausschuss, am 9. Dezember 2024 in der SVV (wegen der Länge der Sitzung unterbrochen – dort in der Einwohnerfragestunde sprach der Anlieger Herr W. zur Satzung), am 16. Dezember 2024 (Fortsetzung der vorangegangenen SVV-Sitzung mit der Beschlussfassung zum Entwurf der Erhaltungs- und Gestaltungssatzung, Beschluss Nr. 10-24-303).
Kommunalrechtlicher Aspekt: Aus kommunalrechtlicher Sicht wurden formale Anforderungen sowie gesetzliche Mindestanforderungen zur Bürgerbeteiligung bei Gestaltungssatzungen vermutlich eingehalten (öffentliche Bekanntmachung in amtlichen Mitteilungsblättern, Aushänge, etc.). Das allein reicht rechtlich aus, selbst dann, wenn es aus Bürgersicht als unzureichend empfunden werden mag (sonst hätte die Kommunalaufsicht beanstandet). Aktive Information für betroffene Anlieger wäre hier sicher günstiger gewesen, ist aber nicht rechtlich zwingend vorgeschrieben und unterblieb. Das trug wahrscheinlich mit dazu bei, dass die o. g. Möglichkeiten kaum von Anliegern genutzt wurden und sie den Beschluss (mit dem Satzungsentwurf im Wortlaut) – wie das in der Kommunalpolitik auch anderer Gemeinden immer wieder passiert – erst nach bereits erfolgter Abstimmung wahrnahmen. Also verspätet. Relativ hastig. Erschrocken. Wütend. Ablehnend. Deshalb nun der Versuch, ihn im Nachgang zu kippen: Das heißt: auf der Basis von unter Zeitdruck zusammengestellten Einwendungen gegen einen Beschluss auf der Basis konzentrierter Analyse und Einordnung. Wie sind hier – bleiben wir beim inhaltlichen Aspekt – die Gewichte verteilt? Wo ist Vertiefung? Wo Oberflächlichkeit? Wo Wissen? Wo Nichtwissen?
Grundgesetz, Artikel 14: Die gewünschte Zurücknahme des Beschlusses scheint mir angesichts der vorgetragenen Einwendungen von sehr starkem Eigennutz zahlreicher Anlieger bestimmt; sie nehmen damit in Kauf, dass das Ensemble Dorfanger Niederlehme – nicht frei von Blessuren aus jüngerer Vergangenheit – ohne eine derartige Satzung letztlich verlorengehen würde. Dabei wird wohl von jenen Bürgern zudem GG Art. 14 nicht bedacht, der da lautet: „[…] Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Es sind also nicht nur individuelle Bedürfnisse, die hier den Ausschlag geben sollen. Und das nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Und ja, auch die Funktion des Dorfangers Niederlehme mit seinem Baumbestand wird von ihr benötigt, das als eine Zone von Beschaulichkeit und Ruhe, von Schatten und Kühle für Einwohner von KW, ebenso für Touristen. Und auch diese Funktion wird mit einer derartigen Satzung gesichert, in der Vergangenheit bereits von der Denkmalbehörde empfohlen. Deshalb befürworte ich eine Satzung und den Weg zu ihr, wie ihn der Beschluss vorsieht, also mit Diskussion und Veränderungsmöglichkeiten des Satzungsentwurfs. Das bietet nach meiner Interpretation viel Offenheit und Spielraum, ohne auf das Verfahren zu verzichten.
Aushöhlung des beschlossenen Verfahrens: Ich als Bürgerin unserer Kommune halte die Bitte um Zurücknahme des o. g. Beschlusses auch in anderer Hinsicht für bemerkenswert, aber zugleich für ablehnungswürdig; denn wer an diesem Punkt eines Prozesses nicht einmal die Diskussion eines Entwurfes zulassen will, wer ihn schon zuvor „aus dem Verkehr zu ziehen“ beabsichtigt, ohne dass darüber überhaupt ansatzweise eine Diskussion in offiziellem Rahmen beginnen könnte, der unterläge schnell dem Verdacht, das Verfahren als Teil eines umfänglicheren Prozesses verhindern zu wollen, ob bewusst oder unbewusst. Und tatsächlich wäre es ja auch eine Verhinderung der erforderlichen Verständigung in der Sache und zwischen Bewohnern, das in offizieller Form. Bürgern wie Frau B. und ihren Mitstreitern unter skizzierten Bedingungen nachzugeben, das betrachtete ich – über den zentralen Aspekt des gefassten Beschlusses hinaus – folglich als einen sehr konkreten Beitrag zur Aushöhlung demokratischer Verhältnisse, oft von Bürgern berechtigterweise beanstandet, in diesem Falle von ihnen selbst zu initiieren versucht. Wer hat daran Interesse? Wem ist damit gedient?
Nichtverwirklichung des Beschlusses: Zurücknahmen oder Änderungen von Beschlüssen sind oftmals angemessen bzw. richtig, auch in Reaktion auf Wünsche und Forderungen aus der Einwohnerschaft. Im Falle des Satzungsentwurfs scheint mir die Zurücknahme oder Änderung des Beschlusses – besonders der plötzlichen Reaktion von Anliegern folgend – allerdings die falsche Antwort zu sein. Da muss schon gefragt werden: Was wären in dieser Hinsicht Konsequenzen des Handelns a) beim Zurücknehmen oder b) beim Ändern des Beschlusses? Was bliebe im Falle eines Änderungsbeschlusses überhaupt noch inhaltlich übrig vom Satzungsentwurf auf dem Wege zur Satzung? Was könnte sie dann tatsächlich noch leisten – im Vergleich zu dem, was sie laut Beschluss vom 16. Dezember 2024 leisten sollte? Zählt die ursprünglich angeführte Begründung für den Beschluss pro Satzungsentwurf heute schon nicht mehr? Allein deshalb, weil die Mehrheit der Anlieger den Beschluss ablehnt? Und als welche Mehrheit verstehen sich jene Anlieger, die das tun und auf seine Zurücknahme hoffen? Die Fragen ließen sich fortführen. Aber ich höre hier vorerst auf. Den Akzent setze ich lieber an eine andere Stelle.
Umsetzung des Beschlusses: Aus meiner Sicht kommt es nämlich nun vielmehr darauf an, den Beschluss trotz der anderslautenden Bitte von Anliegern umzusetzen. Das heißt: die Diskussion zum vorliegenden Entwurf bis in die einzelne Formulierung hinein gründlich und umfassend zu führen, mit allem, was dazugehört. Das auch mit Blick darauf, warum es bisher in unserer Kommune kaum derartige Satzungen gibt. Ein Argument gegen einen Satzungsentwurf bzw. eine Satzung Dorfanger Niederlehme kann ich darin nicht erkennen. Und von der Stadtverwaltung erwarte ich im Falle Dorfanger Niederlehme erst recht, zügiger und mehr als bisher mitzuarbeiten an inhaltlichen Sachbeiträgen und an nötiger inhaltlicher Aufklärung, detailliert, nicht als Schlagwort. Die entsprechenden Äußerungen der Bürgermeisterin Michaela Wiezorek im Stadtentwicklungsausschuss werte ich als weit entfernt davon; ihr bloßes Fragezeichen zur Qualität des Satzungsentwurfs und ihr Hinweis auf eine fehlende finanzielle Förderung dürften eher Verunsicherung und Ablehnung der Niederlehmer Anlieger um Frau B. bekräftigt, vielleicht auch auf der Seite von Stadtverordneten bewirkt haben. Und das zu einem Zeitpunkt, da beispielsweise in Rangsdorf die Bebauung des alten Flugplatzes mit der Sanierung alter Bauten untrennbar verbunden werden soll. Dort wird allerdings ausdrücklich davon ausgegangen – und das erklärt sich nicht allein aus Besonderheiten des Projekts –, dass ein Baudenkmal ein unschätzbarer Wert ist, weil er einem Areal ein so starkes Gepräge gibt, dass es Identität gewinnt und nach außen positiv ausstrahlt. (Ähnliches trifft auf erhaltenswerte Bausubstanz zu.)
Weg in richtige Richtung: Für mich unterstreicht das einmal mehr, dass die Beschlüsse zum Dorfanger Niederlehme, die nicht in der Stadtverwaltung erarbeitet worden sind, in die richtige Richtung gehen. Und deshalb sollten sie – in Sonderheit des Beschlusses zum Satzungsentwurf – von den Stadtverordneten nicht geändert oder gar zurückgenommen werden, trotz des Widerstands aus dem Kreis von Anliegern, zumal sich dieser Widerstand teilweise auf falsche Voraussetzungen stützt.
Weiterführende Links:
https://cdn0.scrvt.com/d19207df10fc2c2113c58b2103007ce0/3f3e999ad6568d32/c164b0e25c30/Erhaltungssatzung.pdf
https://cdn0.scrvt.com/d19207df10fc2c2113c58b2103007ce0/25b3bb116733892d/f0f3396376a0/Gestaltungssatzung-Innenstadt-Koenigs-Wusterhausen.pdf
https://www.maz-online.de/lokales/dahme-spreewald/koenigs-wusterhausen/niederlehme-streit-ueber-gestaltungssatzung-anlieger-fuehlen-sich-gegaengelt-UX7SHCOUQVBH7IZOYQ6IOA75GQ.html
https://www.rangsdorf.de/seite/534427/buc-36.html
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_14.html