Königs Wusterhausen und die Architektur

20. September 2017

Swen Ennullat

Ein Brief von Swen Ennullat an die Brandenburger Architektenkammer, die alle Bürgermeisterkandidaten zu diesen Themen befragt hatte.

Königs Wusterhausen war über viele Jahrzehnte nicht gerade für seine bauliche Außenwirkung und ein gestalterisches Leitbild bekannt; einige kleinere Ortschaften standen zu früheren Zeiten unter der Herrschaft des Schlosses und seiner wechselnden Besitzer, waren aber unbedeutend für sie. Auch hat in früherer Entwicklung dazu beigetragen, dass wir im Lee von Berlin liegen, sozusagen im Armengürtel der Vorstädte – die „Kohlebarone“ siedelten sich vorzugsweise westlich von Berlin an, wo die Luft besser war – und damit kam interessante Architektur auch früher und verstärkt in den reicheren Vororten im Westen an. Die Ackerböden sind schlecht, weite Teile der Gemeinde stehen auf Sand und Die bäuerlichen Siedlungen fielen entsprechend bescheiden aus. An den Ufern unserer Seen gab es dafür bis zur vorigen Jahrhundertwende Industrieansiedelungen – vorrangig Ziegeleien mit riesigen Rundöfen und Schloten – die dafür eingesetzten Arbeiter wohnten in armseligen Häusern. In Zeesen wurde während des 1. Weltkrieges eine Kriegsluftschiffwerft gebaut, und bereits 1925 wurden hier für Flüchtlinge Flächen parzelliert und einfachst bebaut.

In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts dann ein „kulturelles“ Aufbäumen: mit der Entdeckung von Freizeitkultur und Naturerfahrung wurden einige unserer Gemeinden gar zu Seebädern, es gab einige ausgezeichnete Beispiele von klassischer Moderne, Bäderarchitektur, Restaurants, Seebrücken und dazu natürlich auch ansehnliche Freizeitdomizile wohlhabender Berliner. In dieser Phase gab es weitsichtige Menschen wie Hans Curt von Einsiedel, der sein Land in Zernsdorf parzellierte und hier einen regelrechten Masterplan inklusive Kurpark, Sportstadion, Seebad, Seekorso und natürlich Wochendendgrundstücken für gestresste Berliner entwerfen ließ – wie großartig und vorausschauend! Nicht zu vergessen der Funkerberg – ein auch architektonisch großartiges Ensemble aus den 20er Jahren, das es irgendwie geschafft hat, trotz völliger Vernachlässigung in großen Teilen heute noch zu stehen. Zu Zeiten der DDR dann wiederum das Versinken in der kulturellen Bedeutungslosigkeit – Lage und Anbindung über Wasser und Bahn wurden benutzt für Industrieansiedelungen der schlimmsten Art: Möbelfabrik, Beton- und Dachstoffwerk, Eisenbahnschwellenwerk, Tanklager, mehrere Gefügelfabriken und andere entstanden und verseuchten Standort und Boden in erheblichem Maß. Wer hier freiwillig wohnte und sein Haus baute, legte es nicht auf Schönheit an.

Warum ich so weit aushole? Weil das die vererbte Basis ist, auf der KW und seine Ortsteile sich in den (städte-)baulichen Strukturen gründen. KW hatte architektonisch nie das zu bieten, was andere Städte im Umland als Erbe präsentieren konnten – und Gleiches zieht bekanntlich Gleiches an. Bevor seit wenigen Jahren hier der »Bauboom« mit Einfamilienhäusern, ganzen Siedlungen (»Wohnen am See« in Zernsdorf oder Diepensee) und Verdichtungen in der Innenstadt begann, war das Ländle einfach nicht attraktiv genug –  demzufolge das Bauland billig und nur wer es sich woanders nicht leisten konnte, baute hier mit Town&Country, Heinz-von-Heiden und Co.. Das sieht man heute weiten Teilen unserer Dörfer leider an. Und mehr noch als die reine Architektur wurde in den vergangenen Jahrzehnten wohl der öffentliche Freiraum vernachlässigt; gerade der Aufenthalt in diesem ist vielerorts eher abschreckend als anziehend.

Die Geschichte besagt aber natürlich nicht, dass sich unsere Stadt zukünftig nicht architektonisch mehr profilieren könnte! Nun haben wir hier Wahlkampf, und wie Sie richtig erkennen, ist einer meiner Beweggründe tatsächlich der Wille zur Verbesserung. In der sogenannten Kernstadt wird ein Potenzial von 2.150 Wohneinheiten prognostiziert, in allen anderen Ortsteilen zusammen ein Potenzial von 3.800 Wohneinheiten! Das bedeutet eine immense Inanspruchnahme von Flächen im ländlichen Raum und eine hohe Nachverdichtung der bestehenden Siedlungen. Die Stadt muss mit Infrastrukturmassnahmen das Bevölkerungswachstum kompensieren, Schulen, Gemeinbedarfräume, Parkmöglichkeiten und ähnliches gebaut werden. Kurz, das Gesicht von Königs Wusterhausen wird sich stark verändern, und wir wollen ganz in Ihrem Sinne der Veränderung auch visuell eine Richtung und nachhaltig einen Sinn geben. Das Expertenwissen Ihres Gremiums werden wir dabei gerne in Anspruch nehmen.

Unsere Ideen reichen von fahrradfreundlicher Infrastruktur über entschleunigte Wohnviertel, (baum)bestandserhaltenden Anwohnerstraßenbau, Entsiegelung von Flächen und Wegen, hin zu Jugendaufenthaltsbereichen im Freien (Skateplatz, Freitreppen zum Wasser), Ertüchtigung des Kurparks Zernsdorf, einem Friedwald, der Ertüchtigung der Seebrücke Senzig samt entsprechender (Bäder?)architektur. Sie umfassen die Erhaltung der Gebäude auf dem Funkerberg und ihre Einbindung in einen öffentlich zugänglichen Park ebenso wie die gestalterische Auswahl von Straßenbeleuchtung und öffentlichem Mobiliar. Das Bahnhofsumfeld sollte im Sinne der dafür zeichnenden Architekten ein Shared Space werden, der Königs Wusterhausen als moderne, offene und umweltfreundliche Stadt ausweist. Innovative, individuelle Architektur – durchaus mit Bezug zur Historie und zur Umgebung – soll gefördert und nicht behindert werden. Der Dorfauencharakter der Ortsteile soll ertüchtigt werden – was den Erhalt von typischen Außenanlagen (Baumbestand, Kegelbahn, Parkbänke, Rabatten, Dorfteiche etc.) ebenso wie die Fassaden einschließt. Erhalt und Ertüchtigung (bzw. Förderung) der wenigen historisch und architektonisch interessanten Gebäude (z.B. altes Bootsclubhaus in Zernsdorf, Schleusenanlagen, Funkerbergensemble) gehört zu unseren Anliegen. Die Innenstadt-Gestaltungssatzung sollte überprüft und ggf. erweitert oder korrigiert werden; eine zu hohe Bebauung und Verdichtung in den dörflichen Strukturen vermieden werden. Die Verbindung mit und der freie Zugang zum Wasser sollte ein zentrale Rolle in den städtischen Planungen spielen.

In meinem Team habe ich mit der Stadtverordneten Priska Wollein eine in Ästhetik und Landespflege profilierte Beraterin (sie hat Landespflege an der TU München/Freising sowie Kommunikationsdesign in Augsburg und Urbino/Italien studiert), die sich dafür einsetzt, dass Ortsteile ihren ortstypischen Charakter bewahren und dass sich zukunftsfähige und vielleicht gar mutige, aber auch nachhaltige und umweltverträgliche Lösungen in den städtischen Bereichen durchsetzen. Wo die Stadtverwaltung ein Mitsprache- und Gestaltungsrecht hat, sollte sie es wahrnehmen und sich dazu der Expertise von Landschaftsplanern und Architekten bedienen.

Bezüglich einer zukunftsgerichteten Stadtplanung und einen Neuen Architektur ist aus unserer Sicht Königs Wusterhausen geradezu prädestiniert, mutig voranzuschreiten, Statements zu setzen und althergebrachte Konzepte auf den Kopf zu stellen. In den allermeisten hier genannten Bereichen Bereichen hat Königs Wusterhausen nichts zu verlieren und viel zu gewinnen. Konzepte, die übergreifende, multifunktionale Lösungen für mehrere Zielgruppen und Generationen anbieten, sind singulären Lösungen (»Spielplatz für Kinder bis 12 Jahre«) vorzuziehen. Als inspirierende Beispiele seien genannt: Superkilen (Park in Copenhagen) oder Wasserachse Jena-Winzerla.

Wenn wir unseren Kindern Werte wie Kultur, Ästhetik und gute Gestaltung nicht vorleben, wie sollen sie dann eine Wertschätzung für ihr Zuhause und ihre Heimatstadt entwickeln? Es ist an der Zeit, die Attraktivität unserer Stadt nicht vorrangig durch quantitatives Wachstum, sondern vor allem durch gestalterische Qualität zu erhöhen.