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Viel Nichts um Lärm – Zernsdorf und die A10

26. November 2016

Priska Wollein, Stadtverordnete, Zernsdorf

Der Lärmaktionsplan – was ist das denn? Die Menschen, die im Norden von Zernsdorf und nahe der A10, dem südlichen Berliner Ring, wohnen, sagen: Es ist ein Plan, den die Politiker aller Parteien systematisch ignorieren. Und die Stadtväter tun nichts, um die Landes-, Bundes- und Europapolitiker aufzuwecken. Gesetze werden ignoriert, die Menschen werden krank.

Die ganze Geschichte:
Eigentlich gibt es ein EG-Gesetz, das vorsieht, dass bestimmte Gemeinden eine Lärmaktionsplanung erstellen müssen: die EG-Umgebungslärmrichtlinie vom 25.06.2002, die 2005 in deutsches Recht umgesetzt wurde. Damit wurden in das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) ein sechster Teil mit dem Titel „Lärmminderungsplanung“ und die Paragrafen 47a bis 47f eingefügt. Ergänzt wird das BImSchG durch die 34. BImSchV3, welche die Details für die Erstellung von Lärmkarten regelt. Die Mindestanforderungen an Aktionspläne sind in Anhang V der Umgebungslärmrichtlinie genannt.
Doch was nutzt das, wenn auf kommunaler Ebene solche Gesetze und die daraus notwendigen Arbeiten einfach nicht in den Dienst der Menschen gestellt werden, für die sie gemacht wurden?
Ziel der Planung ist eigentlich: Mit geeigneten und sich an den örtlichen Gegebenheiten orientierenden Maßnahmen die Lärmbelastung zu senken und die Lebensqualität zu erhöhen.
Konkret geht es darum, potenziell gesundheitsgefährdende Lärmbelastungen zu vermeiden, Belästigungen zu verringern und den Bewohnern einen ungestörten Schlaf zu ermöglichen.

Der Zeitplan mit den Fristen für die Lärmaktionsplanung.
Fristen_der_Umgebungsla__rmrichtlinie
Empfehlungen in 2008 auf Basis der damals durchgeführten Messungen:Originalauszug_aus_dem_LAP2008

Für die Stadt Königs Wusterhausen wurde dementsprechend 2008 ein erster Aktionsplan zur Lärmminderung nach EG-Umgebungslärmrichtlinie erstellt. Die Planung wurde für den Straßenverkehr durchgeführt. Berücksichtigt wurden laut Richtlinie alle Straßen mit einem jährlichen Verkehrsaufkommen von mehr als 6 Mio Kfz, dies entspricht einer täglichen Verkehrsstärke von rund 16.400 Kfz. Dies betraf damals die BAB A 10 in Ost-West-Richtung sowie die Schloßstraße (B 179) zwischen der Scheederstraße und der Luckenwalder Straße.

Frappierende Ergebnisse

Die Ergebnisse der 2008 durchgeführten Messungen ergaben bereits damals (noch VOR Schengen und dem seitdem rapide angewachsenen Verkehrsaufkommen!) geradezu erstaunliche Ergebnisse. Folgende Maßnahmen, die eine Lärmminderung oder -vermeidung erwirken hätten können, wurden u.a. gefordert: Tempo 100 auf der Autobahn, Tempolimit 60 km/h für LKW (zumindest nachts), Verlängerung der Schallschutzwand.
Der Lärmaktionsplan 2008 ist hier abrufbar
Für 2013 wäre nach dem Gesetz ein neuer Lärmaktionsplan von der Stadt KW zu erstellen. Dieser liegt bis heute (26.11.2016) noch nicht vor. Was haben wir von diesem Plan zu erwarten?

Veränderte Zustände – und nicht hin zum Guten

Zwischen 2008 und heute haben sich in unserem Landkreis etliche Dinge geändert, die völlig andere – schlechtere – Ergebnisse erwarten lassen, was die Lärmbelastung der Bürgerinnen und Bürger betrifft.
Der Beitritt Polens zum Schengen-Abkommen am 21. Dezember 2007 führte zu einem rapide anwachsenden Verkehrsaufkommen auf dem südlichen Berliner Ring. Der überwiegende Teil der Schwertransporte nach Osteuropa ist auf diesem Streckenabschnitt unterwegs, Tag und Nacht.
Die Messungen erfolgten jedoch vor dem 30.6.2007, also VOR der Schengen-Öffnungen der polnischen Grenzen.
Und nicht nur das: Durch den Abbau der in Zernsdorf/Niederlehme tätigen SKBB – Sand + Kies Union GmbH Berlin-Brandenburg  – wird den Einwohnern der einzige natürliche Schutz vor dem Autobahnlärm sukzessive genommen! Monat für Monat graben sich die Bagger weiter nach Osten vor, und der Lärm steigt mit jeder Abholzung spürbar.
Am 15. Januar 2014 stellte Herr Issing von der SKBB auf der öffentlichen Ortsbeiratsversammlung in Zernsdorf freundlicherweise das weitere Abbauprogramm vor. Demnach wird der gesamte Wald nördlich der Zernsdorfer Wohngebiete bis auf ca. 100m an die Siedlungsgebiete heran abgeholzt werden, nach Osten bis etwa auf die Höhe Friedrich-Engels-Straße / Rehgrund.
Da bereits heute die Auswirkungen der Abholzungen immense Auswirkungen haben, kann man sich vorstellen, wie der Fahrzeuglärm immer ungehinderter in unsere Wohn- und Schlafzimmer dringen wird – vom ehemals schmückenden Begriff »Erholungsgebiet Zernsdorf« sind wir bereits weit entfernt.
Und nicht zuletzt steigt die Einwohnerzahl Zernsdorfs so stetig wie der Wald fällt, was schlicht bedeutet, dass die Anzahl betroffener Bürger von Friedrich-Engels- bis Karl-Marx-Straße zunimmt. Und nun sage ja keiner, dass ja jede/r freiwillig hier her ziehe und keiner gezwungen werde!

Was also tun?

Ich fordere, dass die Stadt Königs Wusterhausen UMGEHEND den per Gesetz geforderten und ausstehenden Lärmaktionsplan aufstellt und die damit verbundenen Messungen durchführen lässt. Mit diesem Plan wäre eine sinnvolle Handhabe für einen Dringlichkeitsantrag bei Bund und Autobahn für eine Lärmschutzwand gegeben. Eine Lärmschutzwand bekämpft den Lärm am Ort ihrer Verursachung und das ist physikalisch die einzige Möglichkeit, ihn wirksam zu verhindern!
Im Moment wird eine Wand aus Kostengründen abgelehnt (dazu später mehr). Ein Wall aus Platzgründen (der BAB-angrenzende Waldstreifen gehört dem Bundesforst – dieser begründet die Weigerung, Fläche zur Verfügung zu stellen, mit Wiederaufforstungsmaßnahmen auf genau jenem Streifen). Es muss schnellstens gehandelt werden, denn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind bereits jetzt vorhanden. Da lohnt sich auch mal ein Blick zu unseren weiter entfernten Nachbarn in der Schweiz: lesen

Und vor allem anderen: Bis zu einer echten Lösung des Problems darf kein weiterer Wald durch die SKBB Kiesgrube abgeholzt werden!

Das könnte ein Vorbild sein: Lärmschutz in der Schweiz (Foto: C. Pardeller). Damit könnte unsere Stadt gleich noch was dazuverdienen und das versprochene »Grüne Wachstum« ohne Windpark und ohne Vernichtung von hunderten Hektar Waldflächen in Uckley würde auch funktionieren.
fotovoltaikanlage-auf-larmschutzwande-a22-24-april-2010