Ist die Kommunalaufsicht ein unabhängiges Prüforgan?

5. März 2021

von Anna Funke

In der letzten Zeit spielten häufig Entscheidungen der Kommunalaufsicht zu vom Bürgermeister beanstandeten Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung Königs Wusterhausen eine Rolle. Nach § 55 der Brandenburger Kommunalverfassung ist ein Hauptverwaltungsbeamter verpflichtet, Beschlüsse zu beanstanden, bei denen er der Auffassung ist, sie seien rechtswidrig (1). Leider hat aber gerade die zeitliche Verzögerung in einigen Fällen durch die Kommunalaufsicht zu Problemen in der Stadt geführt, die nun dem Bürgermeister angelastet werden. Auf die Entscheidungen der Kommunalaufsicht muss man auch mal zwei Jahre warten, während nach monatelanger Untätigkeit Nachfragen oder Nachforderungen geäußert werden und so die Beschlüsse gefühlt ewig auf Eis liegen. Das schürt Unmut bei den Bürgern und bringt die Verwaltung in Misskredit. Ist das gewollt?

Oberster Chef der Kommunalaufsicht LDS als Untere Landesbehörde ist Landrat Stephan Loge (SPD). Loge hat sich seit dem Amtsantritt Ennullats nicht mehr offiziell beim Bürgermeister der größten Stadt des Kreises sehen lassen und schon mal auf den Vorschlag einer Mediation im Kreistag erklärt, dass er nur noch über Anwälte mit Ennullat reden würde.

Die Leiterin seiner Kommunalaufsicht ist Nadine Starke (2). Kann es sein, dass der Mann von Nadine Starke, Wolfgang Starke, als Beigeordneter die rechte Hand des Landrats war? Und heute persönlicher Mitarbeiter von Tina Fischer (SPD, Landtagsabgeordnete) ist? (4)
Wie objektiv wird dann eigentlich der Landrat gegenüber seiner Untergebenen Starke sein? Und umgekehrt?

Die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, die übrigens mithilfe der fünf Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde, ist Laura Lazarus. Die aus Ingolstadt stammende Lazarus, im Hauptberuf Major der Luftwaffe, kennt Nadine Starke persönlich gut. Sie beide vereint das gemeinsame Hobby auf dem Hundeplatz, wo sie sich regelmäßig treffen. (3) Der Lebenspartner von Lazarus, Christian Möbus (Fraktionsvorsitzender der CDU), ist wie Starke im Vorstand desselben Boxerclubs. Es ist also kein Geheimnis, dass sie ihre Freizeit miteinander verbringen.

Also gleich zwei mächtige Stimmen in der SVV verbringen ihre gemeinsame Freizeit mit Frau Starke – der eine Fraktionsvorsitzende und die andere SVV-Vorsitzende… kommt da etwa der Verdacht auf Befangenheit auf? Am Ende passt auch das ins Gesamtbild.

Dass darüber hinaus die Kommunalaufsicht kein rechtssprechendes Organ ist, ja nicht einmal Recht haben muss, zeigt anschaulich ein Bescheid zur Beschlussbeanstandung des BM zum Kunstrasenplatz Zeesen. Wir wissen, dieser Änderungsbeschluss durch SPD und andere zum Haushaltsentwurf hat damals den gesamten Haushalt 2020 von Königs Wusterhausen verzögert; denn die Kommunalaufsicht hatte Ennullat hingewiesen, dass »der Zuschuss zum Kunstrasenplatz, der von den Stadtverordneten in den Haushalt aufgenommen wurde, nicht einzeln beanstandet werden kann.« Und selbst das Ministerium für Inneres und für Kommunales war der Meinung »Demnach stand es Bürgermeister Swen Ennullat nicht zu, den Investitionskostenzuschuss für einen Kunstrasenplatz isoliert von der durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Haushaltssatzung zu beanstanden.«

Erst die Richter in Cottbus konnten diese Meinung widerlegen (5). Sehr wohl kann nämlich ein Änderungsbeschluss beanstandet werden. Und genau das hatte der Bürgermeister getan, völlig rechtskonform. Und er musste es sogar tun.

Die politische Rücksichtnahme im Kreis aber könnte über private Beziehungen hinaus ein Problem der Neutralität aufwerfen; so ist Stephan Loge (SPD) der Dienstherr der Kommunalaufsicht. In weiterer Funktion ist er Landrat. Nun hat der Bürgermeister von Königs Wusterhausen eine Klage gegen die (aus Sicht der Stadt) falsch berechnete Kreisumlage angestrengt, und deren Fortführung ist ihm durch eine Mehrheit in der SVV per Beschluss untersagt worden. Er erhebt Einspruch gegen den Beschluss – und wo landet dieser? Auf dem Tisch von Frau Starke, deren Chef Herr Loge ist. Ganz klar: Herr Loge wird sicher nicht freudig zustimmen, dass Herr Ennullat gegen ihn Klage erheben kann…
Die Einwendung der Stadtverwaltung, dass der Landrat in seiner Doppelfunktion als »Richter« und »Beklagter« hier ja wohl befangen sein müsse, wurde jedoch ebenfalls negativ beschieden.

Geradezu skurril wird es, wenn eine in der Sache »Gutachten zum Verhalten des Bürgermeisters« durch die SVV-Vorsitzende Lazarus beauftragte Rechtsanwaltskanzlei Dombert sechs Stunden telefonische Beratung mit Frau Starke abrechnet… Ein Rechtsanwalt lässt sich also von Frau Starke beraten, wie man den Bürgermeister weg bekommt?

Immer wieder taucht der Name Nadine Starke auf… Uns aber interessiert brennend: Was wird eigentlich auf dem Hundeplatz besprochen? Und wird unsere Stadt eigentlich aus Lübben regiert?

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Quellen:

(1) § 55 BbgKVerf
Der Hauptverwaltungsbeamte hat Beschlüsse der Gemeindevertretung zu beanstanden, wenn er der Auffassung ist, dass sie rechtswidrig sind. Die Beanstandung muss unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Vorlage der Niederschrift der Sitzung der Gemeindevertretung gegenüber dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung ausgesprochen werden. Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung; § 39 Abs. 3 bleibt unberührt. Die Gemeindevertretung hat spätestens in der nächsten ordentlichen Sitzung erneut zu entscheiden. Abstimmungen erfolgen namentlich. Soweit der Beschluss nicht erneut gefasst wird, gilt er als aufgehoben. Die Einberufung zu dieser Sitzung erfolgt unter schriftlicher Angabe der Beanstandungsgründe. Ist nach der Auffassung des Hauptverwaltungsbeamten auch der neue Beschluss rechtswidrig, muss er ihn erneut innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Sitzung gegenüber dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung beanstanden. Anderenfalls entfällt die aufschiebende Wirkung. Nach der erneuten Beanstandung hat der Hauptverwaltungsbeamte unverzüglich unter Darlegung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde gegenüber der Gemeinde herbeizuführen, ob der erneute Beschluss rechtswidrig ist. Die Entscheidung muss durch die Kommunalaufsichtsbehörde unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nach Kenntnis aller für die Entscheidung erheblichen Tatsachen getroffen werden. Die Kommunalaufsichtsbehörde kann in ihrer Entscheidung die Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit beziehungsweise Rechtmäßigkeit des Beschlusses feststellen. Maßnahmen nach Kapitel 4 bleiben unberührt.

(2)
https://www.dahme-spreewald.info/de/Politik_&_Verwaltung/Verwaltungsstruktur/Dezernat_fuer_kommunale_Angelegenheiten_inneren_Dienstbetrieb_und_Schulverwaltung/Kommunalaufsicht/461.html

(3)
http://bk-koenigswusterhausen.de/wp-content/uploads/2020/11/Nadine.jpg

(4)
https://spd-brandenburg.de/person/tina-fischer/

(5)
VG 1 K 704/20 Urteil des Verwaltungsgerichtes Cottbus
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren Stadt KW ./. Landrat LDS vom 28.10.2020
Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Ministeriums für Inneres und Kommunales, „Änderungsanträge“ seien „keine Beschlüsse, die eigenständig ausführbar bzw. umsetzbar wären“, zwar insoweit richtig, als erst die Gesamtregelungen der Haushaltssatzung die Haushaltswirtschaft der Gemeinde für ein bestimmtes Haushaltsjahr gestalten. Ein Erkenntnisgewinn ist hiermit vorliegend allerdings nicht verbunden. … Aber selbst dann, wenn der Sinn und Zweck des Beanstandungsrechts des Hauptverwaltungsbeamten nach § 55 BbgKVerf dafür sprechen würde, Änderungsbeschlüsse aus dem Kreis der einer Beanstandung unterliegenden Beschlüsse herauszunehmen, wäre es dem Gericht – nicht anders als der Exekutive (Frau Starke) – versagt, § 55 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf im Wege einer teleologischen Reduktion(*) dahingehend einzuschränken.

(*) http://www.rechtslexikon.net/d/teleologische-reduktion/teleologische-reduktion.htm