Danke, Herr Hanke

19. August 2017

Matthias Fischer, Zernsdorf
oder

Demokratie geht anders.

Zu Gast im Wohnzimmer des Genossen Hanke, Ort des Geschehens diesmal Zernsdorf

Vor kurzem fiel mir in einem anderen Zusammenhang dieser Satz wieder ein: Überall, wo sich Demokratien für so demokratisch halten, dass sie meinen, sie brauchten keine Kontrolle mehr, entwickeln sich diktatorische Strukturen. Wer aber kann das wollen?

Ich sah das Spektakel ja schon zum zweiten Mal, also kannte ich die Texte. Nur führte diesmal nicht ein professioneller Moderator durch die vorbereiteten Texte, sondern Ortsvorsteher Uwe Bock. Borck war 2014 trotz der wenigen für ihn abgegebenen Wählerstimmen (an 9. Stelle in der Wählergunst) von Franzkes SPD eingesetzt worden, um für Ruhe hier vor Ort zu sorgen. Das ist offenbar gründlich misslungen, wie sich heute wieder zeigte.


Etwa 60 Bürger waren zur extra frisch ausgebaggerten Fläche an den Kaufhallen gekommen und standen davor auf der Straße

Der Kandidat konnte die teils gespannten, teils enttäuschten Gesichter seiner Gäste ja zum Glück nicht sehen. Aber er muss das Knistern gespürt haben, eine Atmosphäre von Streit, Missgunst untereinander und die Unzufriedenheit mit den Verhältnissen im Ortsteil. Denn seit langem herrscht hier Stillstand. Lieber reibt man sich untereinander auf, als einmal wirklich etwas zu bewegen und die Verhältnisse dem Grunde nach zu ändern. Als hätten wir hier nicht schon genug Probleme –Sandpisten, Lärm von Straßen und Flugzeugen, Gestank von mehr als einer Million Hühnern, ein Tanklager in Ortslage mit Schwerlastverkehr, fehlende Kitaplätze.

Nein, lieber schürt man den kleinlichen Streit zwischen verfeindeten Vereinen um einen Kühlschrank im Bürgerhaus, die fehlende Weihnachtsbeleuchtung oder Seezugänge. Der SPD soll’s Recht sein, genau damit erledigt Genosse Borck seinen Auftrag und erzeugt eine Pattsituation. Nicht ändert sich. Nichts rührt sich. Und das ist gut so.

Es war ein Lehrstück heute in Zernsdorf. Herr Borck ließ nur Fragen zu, die die Menschen vorher auf die ausliegenden Zettel geschrieben hatten. Damit meinte er, die Situation unter Kontrolle zu behalten, und seinem Genossen Hanke jede unvorhergesehene Frage zu ersparen. Zwei Tage zuvor in Wernsdorf war es dem Moderator noch gelungen, nach den vorher einstudierten und abgesprochenen Programmteilen mit dem Kandidaten die Bühne zu verlassen und die Gespräche zu dritt an einem der Stehtische fortzusetzen. Dezente Musik von der Bühne sorgte dafür, dass man wirklich unter sich war, man konnte auch vom Nebentisch dem Dialog nicht lauschen. Dabei gab es allerorts durchaus Fragen, die die Menschen zumindest im Gespräch untereinander stellten, so wie zum Beispiel, warum Georg Hanke nicht schon in seiner wichtigen Funktion als Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung in den letzten acht Jahren Gelegenheit genommen hätte, etwas an den Verhältnissen hier zu ändern. Mir ist Georg Hanke von den Stadtverordnetenversammlungen der letzten Jahre eher in seiner Rolle als lupenreiner Demokrat in Erinnerung geblieben, der sich ganz genau an alle Gesetze und Verfahren hält. Nur dass er manche Menschen eben etwas demokratischer als andere behandelte und dazu neigt, bei Leuten, die kritische Äußerungen machen, schon mal genauer auf die Ordnung zu achten als bei denen, die nach dem Munde reden. Pfiffige Bürger übten sich darin, ihr Redemanuskript an den Nächsten weiterzugeben, wenn der Vorsitzende auf die Redezeit pochte.

Auch heute wurde wieder ordentlich geübt. Borck verweigerte den Bürgern auch noch dann das Mikrofon für spontane Fragen, als einer seiner Genossen ihn dazu aufforderte. So brachte Borck diese Veranstaltung in gewohnter Routine über die Bühne. Georg Hanke ließ es geschehen.

Meine Replik dazu: Überall, wo sich Demokratien für so demokratisch halten, dass sie meinen, sie brauchten keine Kontrolle mehr, entwickeln sich diktatorische Strukturen. Wer aber kann das wollen?


Es lagen Zettel aus, auf denen man seine Fragen einreichen konnte