Sehr geehrte Frau Voigt,
ich möchte Ihnen zu Ihrem Statement im Bericht im RBB „Brandenburg Aktuell“ vom 05.03.2020 meinen Eindruck als Einwohnerin und Ortsvorsteherin Niederlehmes mitteilen.
Eingangs sprechen Sie von „ungeklärten Voraussetzungen“ zum Ankauf des Turmes. Es mag sein, dass bei einem privaten Bauvorhaben vorab einige Dinge geklärt sein müssen. Doch diese Entscheidungsfreiheit war hier nicht gegeben. Es gibt nur diesen einen ortsbildprägenden Wasserturm in Niederlehme, den die Stadt einmalig erwerben oder dem Verfall überlassen konnte.
Bereits im August 2018 wurde durch die Mitglieder des Heimatvereins Niederlehme e.V. eine Idee zu einem Nutzungskonzept erarbeitet und der Stadtverwaltung vorgelegt. Sie hätten sich im Vorfeld als Stadtverordnete Einblick verschaffen können.
Eine Voraussetzung für den Erwerb des Wahrzeichens war außerdem das Ergebnis des gemeinsamen Besuchs beim Landesamt für Straßenwesen am 19.09.2019 zusammen mit Vertretern des Fachbereichs Hochbau und mir als Ortsvorsteherin. Es ist richtig, dass das Landesamt damals dem privaten Eigentümer untersagte, den Turm für Wohnzwecke herzurichten. Doch nun möchte die Stadt Eigentümerin werden und den Turm öffentlich nutzen. Das ist ein Unterschied, denn bei „Gründen des Wohls der Allgemeinheit kann ein Abweichen vom grundsätzlichen Bauverbot möglich sein. Dies wurde prinzipiell und auch in Teilen einer Nutzung der ersten Ebenen bejaht.“ (Quelle: öffentliche Beschlussvorlage der Stadtverordnetenversammlung Nr. 20-19-188). Ein Bauantrag mit Anzeige einer Nutzungsänderung kann erst vorgelegt werden, wenn die Stadt Eigentümerin ist. Sollte hier ein ablehnender Bescheid seitens des Bauordnungsamtes erfolgen, kann die Hülle des Turmes immer noch in Stand gehalten werden, um den Wasserturm als Wahrzeichen zu erhalten.
Dass die Bürgerinnen und Bürger an der Diskussion nicht beteiligt waren, kann ich so nicht bestätigen. Zur Stadtverordnetenversammlung am 21.10.2020, bei der Sie anwesend waren, gab es in der Einwohnerfragestunde Wortmeldungen der Vorsitzenden des Heimatvereins Niederlehme e.V. Frau Marlies Kranich und dem stellvertretenden Ortsvorsteher Michael Böhm. Nachzuhören im Podcast der Sitzung. Frau Kranich, als geborene Niederlehmerin, und Herr Böhm als Mitglied des Ortsbeirates seit 2008, traue ich zu, die Meinungen ihrer Mitmenschen einschätzen und wiedergeben zu können. Frau Voigt, Sie sind seit 2003 Stadtverordnete dieser Stadt. Ihnen ist auch bekannt, dass Grundstücksan- oder verkäufe „nicht öffentlich“ behandelt werden. Sich im RBB Beitrag „mehr Diskussionen“ zu wünschen, finde ich im Nachhinein eine Frechheit. Meines Wissens haben weder Sie noch Ihre Fraktion im Vorfeld das Gespräch mit dem Ortsbeirat oder dem Heimatvereins gesucht.
Zu der Aussage, was die Bürgerinnen und Bürger mit dem Turm „überhaupt anfangen können“, möchte ich abschließend wiederholen, dass der Wasserturm für uns Niederlehmerinnen und Niederlehmer sowie für viele andere Menschen in dieser Stadt nicht nur ein Baudenkmal ist, sondern ein historisches Zeugnis, das an die Vergangenheit erinnert. Es kann anregen, die eigene Herkunft zu hinterfragen oder ermutigen, die Gegenwart selbst zu gestalten. Es ist uns ein Bedürfnis, den Turm unbedingt für zukünftige Generationen zu erhalten und ihnen auch das Gefühl zu vermitteln „gleich wieder Zuhause zu sein“.
Insofern freue ich mich, dass die Mehrheit der Stadtverordneten dies auch so sieht und dem Vorschlag des Bürgermeisters gefolgt ist.
Anmerkung der Redaktion: Hier kann man die Sendung in der RBB Mediathek finden (Klick)