Tiny Forest – ist das der richtige Weg?

4. November 2020

Priska Wollein, Fraktion UBL/UFL

Ein Beitrag von Priska Wollein anlässlich des unlängst in der SVV  mehrheitlich verabschiedeten Prüfauftrags 10-20-190 zur Errichtung von Tiny Forests in Königs Wusterhausen. Der Antrag wurde von der Stadtfraktion B90/Grüne eingereicht.

Vorweg möchte ich erwähnen, dass ich Landschaftsökologie und -architektur an der TU in Weihenstephan studiert habe.

Stellen Sie sich vor – bei uns in Brandenburg gab es vor 300 Jahren gar keinen »Forst«, wie wir ihn heute kennen! Bewusst angepflanzte Bäume gab es lediglich in Alleen, und natürlich den ein oder anderen Hausbaum. Alles andere war ein natürlicher Aufwuchs, ein »unkontrollierter Wildwuchs«, wie es Laien bezeichnen würden…

Vor etwas mehr als 200 Jahren erst wurde die kontrollierte Forstwirtschaft eingeführt, davor wurde Wald bei uns nicht angepflanzt. Dann aber setzte man alles darauf, den »Idealbaum« mit definierten Eigenschaften durch Auswahl zu züchten: astlos, gerade, mit starkem Stamm und wenig Ästen. Es wurde selektioniert und in Folge dessen über die letzten 200 Jahre das genetische Kostüm von Forstbäumen deutlich reduziert! Und ebendies macht es »dem Wald« heute so schwer zu überleben!

Wenn man heute also einen »Wald« anpflanzt, muss man Bäume aus Forstbaumschulen dafür verwenden (siehe dazu das Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG)). Und was bekommt man da? Richtig! Genetisch selektionierte Bäume. In einem »natürlich« aufgewachsenen Wald würden jedoch zuerst Pionierbäume wie Birken, Pappeln, Robinien, Sanddorn etc. aufwachsen, bevor andere Sorten sich entwickeln könnten. Und nur ein solcher natürlicher »Urwald« hat eine Chance, sich gegen die heutigen Herausforderungen des Klimas auf Jahrzehnte zu behaupten! Will man diese Regel »durchbrechen«, wird man ohne Intensivpflege niemals einen artenreichen Bestand erhalten, es sei denn, man lässt ihn 400 Jahre lang vollkommen in Ruhe… Andernfalls bekommt man über kurz oder lang einen öden Gehölzbestand, in dem sich die bestangepassten Pflanzen durchsetzen. Um einen artenreichen Bestand in Tiny Forests zu erhalten, muss man sich jedoch quasi rund um die Uhr um diesen »Bonsaiwald« kümmern! Wer soll das eigentlich in unserer Kommune leisten?

Zweitens frage ich mich: Wozu ist ein Tiny Forest also gut? Als Biotop, für Artenreichtum und fürs Klima..? Jede Wiese, ja sogar jeder Magerrasen wird in kurzer Zeit artenreicher sein in Bezug auf Flora und Fauna. Offenland wäre weit essentieller für die Lösung vieler der heutigen Umweltprobleme; denn pro Quadratmeter siedeln sich dort ungleich mehr Arten an. Außerdem hat jede andere Vegetationsform im Vergleich zu Wald einen geringeren Raumanspruch.

Man mag nun einwerfen – ja, aber das Mikroklima..? Stimmt, im Innern eines Waldes (so es einer wird) ist die Temperatur ausgeglichener und kühler. Doch nicht auf einer Fläche von 120 bis 200 Quadratmetern! Für eine Verbesserung des Mikroklimas im Stadtgebiet finden sich sinnvollere und dauerhafte Lösungen. Genau da wäre aus meiner Sicht der Punkt, wo Politik steuernd eingreifen kann und muss: bei der Fassadengestaltung, bei der Dachbegrünung, und bei der Anlage von Grünflächen und Straßenbegleitgrün. Gänzlich unsinnig jedoch sind Tiny Forests in Dörfern von 3.000 Einwohnern; denn diese haben gar keine solchen Wärmeinseln, wie man sie aus größeren Stadtgebieten kennt. Hier ist jede alte Dorflinde mehr wert als alle gutgemeinten grünen Bemühungen im vorliegenden Antrag…

Daher mein Appell: Lassen Sie uns adäquate Ansätze suchen, und keine zum Scheitern verurteilten.

(Mein Dank an Prof. Dr. Rüdiger Prasse, Professor für Vegetationsmanagement am Institut für Umweltplanung in der Abteilung Landschaftspflege und Naturschutz der Universität Hannover, der mich zu diesem Thema beraten hat)