Wald oder kein Wald?

6. September 2020

Dr. Marina Kreisel, Zeesen

Anmerkung der Redaktion:
Dieser Leserbrief an die „Märkische Allgemeine Zeitung“ wurde nicht gedruckt. Stattdessen waren mehrfach überaus positive Stellungnahmen im Sinne der Investoren zu lesen. Wir möchten die Veröffentlichung dieses Leserbriefes als einen Beitrag zur journalistischen Ausgewogenheit verstehen. (Aktualisierung: In der SVV am 7. September 2020 wurde gegen das Projekt und für den Erhalt des Waldes entschieden. Trotzdem halten wir den Artikel weiterhin für lesenswert, weil er bestimmte Verhältnisse in unserer Stadt anspricht und aufdeckt.)

Herrn Dr. von Rottkays Leserbrief zeugt aus meiner Sicht davon, dass er die Diskussion Seniorenanlage versus Walderhalt” nicht ausreichend verfolgt hat. Sonst hätte er als Verfasser seinen Beitrag vermutlich im Interesse einer fundierten, soliden Argumentation anders eingeordnet und auch auf von ihm getätigte Aussagen verzichtet – weil er es nicht getan hat, erschüttert er seine eigene Argumentation selbst. Das meines Erachtens vor allem in folgender Hinsicht:

  1. Seine Argumentation steht und fällt damit – um einen zentralen Punkt zu nennen –, wenn er „Wald“ in Anführungsstrichelchen setzt. Nun kann es ja sein, dass er die hier interessierende  Fläche nicht (mehr) als Wald ansieht, weil er andere Vorstellungen vom Wald besitzt. Das ist subjektiv ja möglich, auch als ein Schlechtreden des existierenden Waldstücks, aber seine im Leserbrief öffentlich geäußerte Meinung steht deutlich im Widerspruch zum gültigen Waldgesetz des Landes Brandenburg; es weist im §2 aus, was als Wald gilt. Und die Fläche im Bereich Schütte-Lanz-Straße erfüllt dort genannte Merkmale, ist folglich im Sinne des Gesetzes Wald. Das trifft übrigens auch auf den Wald Richtung August-Bebel-Straße/Steinberg zu. Daran ändert dessen kürzlich erfolgte Schädigung nichts – derzeit wachsen Unterholz und junge Laubbäume nach.
  2. Wie kann die Forderung von Bürgern nach Erhalt von Wald ein vorgeschobenes Argument sein (für welche Zweck auch immer), wenn sie in ihrer Argumentation aufgreifen, was eine Fachbehörde kundtut?Wie kann Herr von Rottkay in Kenntnis (?) der Forst-Stellungnahme von einem umstrittenen Wert von Waldbestandteilen (Bäume, verwildertes Unterholz) reden? Immerhin kommt die Position der zuständigen Forstbehörde bezüglich des Erhalts dieser Mischwaldfläche (!)  in ihrer Stellungnahme gegenüber der Stadtverwaltung klar zum Ausdruck: begründet wird sie vornehmlich mit wichtigen Waldfunktionen (sehr hoher lokaler Klimaschutz, sehr hoher lokaler Immissionsschutz, hoher Sichtschutz) , die u.a. für die Allgemeinheit bedeutsam sind. Angesichts dieser Charakterisierung durch eine Fachbehörde geht beispielsweise die folgende Aussage von Herrn Dr. von Rottkay doch wohl völlig ins Leere: „Es ist unverständlich, dass Wald nur als wertvoll erklärt wird, wenn er den Interessen Einzelner in Zeesen dient.”
  3. Der Vorschlag einer Sanierung des Waldes im Bereich der August-Bebel-Straße /Steinberg kommt mir in der vorgenommenen Kopplung gewissermaßen wie eine Art Taschenspielertrick daher.Wie man diesen Vorschlag hier auch begründet – in der Konsequenz würde seine Realisierung die Vernichtung des Mischwaldes im Bereich der Schütte-Lanz-Straße bedeuten, das mit allen von der Forst aufgeführten Waldfunktionen. Damit würde mindestens Teilen der Bevölkerung – nicht allein aus dem Umfeld dieser Waldfläche –  eine ihnen bisher zugängliche, dann vernichtete Waldfläche nicht mehr zur Verfügung stehen; sie würden hier z. B. das  „Allgemeine Betretungs- und Aneignungsrecht“ (z. B. Sammeln von Pilzen in geringen Mengen zu eigenem Gebrauch) nach §15 des Waldgesetzes verlieren. Zudem: Eine Wiederbewaldung im Falle verlichteter Waldfläche, ihre Ergänzung sind laut §11 Waldgesetz des Landes Brandenburg ohnehin vom Waldbesitzer zu leisten – ohne ein Sanierungsangebot vorliegender Art.
  4. Ich hoffe, mein Eindruck trügt mich nicht:Die Diskussion scheint mir nicht nur in kommunalpolitischen Gremien, in denen letztlich die Entscheidung über das von den Investoren eingereichte Projekt getroffen wird, wesentlich weiter zu sein, als sie in diesem Leserbrief eines langjährigen Kommunalpolitikers anklingt. Sie hat sehr wohl alters- und behindertengerechtes Wohnen im Blick  – aber die dafür erfolgte Abholzung eines Mischwaldes im Jahre 2020 /2021 wäre zweifellos ein fatales Signal: unter sich weiter verändernden klimatischen Bedingungen und Entwicklungen, die massiven Einfluss auf alle Generationen nehmen, allerdings unterschiedlich lange. (Übrigens – ich gehöre nicht zu den Senioren, die als Interessenten und Befürworter dieses Projektes genannt werden können.)