Wie Grün ist ein Kunstrasenplatz?

5. Juni 2020

Priska Wollein, Stadtverordnete UBL/UFL

Von den Fraktionen SPD und Bündnis90/Die Grünen in der Stadtverordnetenversammlung Königs Wusterhausen wurde für die Sitzung am 9. Dezember 2019 folgende Beschlussvorlage eingebracht:

In den Haushalt 2020 werden 300.000 Euro für einen Zuschuss zum Bau eines Kunstrasenplatzes, der aus umweltfreundlichen und für die Natur unschädlich abbaubaren Materialien errichtet wird, auf dem Vereinsgelände des FSV Eintracht KW in Zeesen eingestellt.

Ich meine, dass ein solches Projekt – als Vorschlag einer Partei, die die Erhaltung einer ökologischen und gesunden Lebensumwelt in ihrem Programm hat – in keiner Weise zeitgemäß ist und weder ökologisch noch ökonomisch zu verantworten ist. Der Satz mit der Umweltfreundlichkeit und unschädlichen Abbaubarkeit eines Kunstrasens ist nach heutigem Stand der Technik schlicht absurd.

Daraus wird Kunstrasen hergestellt:

Für die Herstellung von Kunstrasen (den »Grashalmen«) kommen Garne aus Polypropylen, Polyethylen oder Polyamid in Frage. Das Trägergewebe der Fasern wird mit Urethan oder Latex beschichtet und zumeist zusätzlich stabilisiert, um ein Verziehen zu verhindern.

Polypropylen (PP):
Diese Fasern sind sehr reißfest und widerstandsfähig gegenüber mechanischer oder chemischer Einwirkung. PP wurden vor PE und Nylon entwickelt. Ein Material, das – mit Quarzsand verfüllt – die Eigenschaften eines natürlichen Putting Greens perfekt nachahmt.

Polyethylen (PE):
Diese synthetische Faser wird aus Olefinen erzeugt und wurde für die Herstellung von Kunstrasenflächen entwickelt. Sie hat ein niedriges spezifisches Gewicht, eine extrem hohe Feuchtigkeitsaufnahme, die gleiche Reisfestigkeit in trockenem und nassem Zustand und ist resistent gegen Flecken, Schimmelpilzbefall und Insekten. Die weichen und belastbaren PE-Fasern kommen vor allem in Kunstrasen für die Gartengestaltung und für Terrassen, Balkone etc. zum Einsatz. Wenn Kunstrasen aus PE richtig verlegt wird, trocknet er schnell, ist UV-resistent und hat überhaupt keine Probleme wenn er täglich beansprucht wird.
PE wird als Monofilament oder Slit Film verarbeitet. Slit Film Sorten, die in Sportplatz-Installationen verwendet werden, haben breite Halme, ähnlich den Fescue- und Bermuda-Gräsern. Währende Monofilament eher Rye und Blue Grass ähnelt.

Polyamid (PA = Nylon):
Fasern mit exzellenter Reisfestigkeit, Flexibilität, Haltbarkeit. Ist waschbar, trocknet schnell und ist widerstandsfähig gegenüber Insekten und Mikroorganismen. Nylon kann von allen 3 Fasern am meisten Feuchtigkeit aufnehmen. Nylon wird vor allem für Putting Greens aus Kunstrasen verwendet.

Alle drei Varianten sind ökologisch fragwürdig, da sie sich unter Sonneneinstrahlung durch UV Licht zersetzen und über die Lebensdauer hinweg erheblich Mengen an Mikroplastik frei werden, die direkt in die Umwelt gelangen. Hinzu kommen die erheblichen Entsorgungsprobleme nach Ablauf der Nutzungsdauer von ca. 8–12 Jahren.

Wovon die Grünen Stadtverordneten hingegen immer sprechen, wenn sie »ökologisch« meinen, ist das Füllmaterial. Hier kann man statt des Gummirecyclingmaterials auch Sand oder Kork verwenden. Die Variante mit Sand hat schlechtere Spieleigenschaften wegen fehlender Elastizität und eine erheblich höhere Verletzungsgefahr. Eine Korkfüllung ist schon wegen der Herkunft des Korks ökologisch in Frage zu stellen, ist aber als organisches Material wesentlich anfälliger für Zersetzung und Fäulnis und damit auch wesentlich wartungsaufwändiger. Beides, Sand oder Kork, lassen sich bei der Entsorgung nicht vom Oberflächenmaterial, insbesondere dem Zersetzungsprodukt Mikroplastik trennen und sind damit spätestens dann problematisch. Mal ganz abgesehen, dass der Rückbau und die Entsorgung noch in keiner Kalkulation zum KRP auftauchen… wer soll das eigentlich bezahlen?

Ein weiterer Aspekt ist, dass eine künstliche Fläche sich deutlich mehr erhitzt als Naturrasen und außerdem die CO2-Bilanz von Kunstrasen ggü. Naturrasen logischerweise grottenschlecht ausfällt. Ja, genau, auch Naturrasen, so kurz er sein mag, bindet CO2. Aber was soll man noch an Argumenten bringen, wo andere Interessen Vorrang haben?

Ich wünsche mir gerade von einer Partei, die sich ökologische Ziele ins Programm geschrieben hat, etwas mehr Sorgfalt und Weitblick in Bezug auf solche Vorschläge. Es entsteht doch sehr der Eindruck, dass man hier ausschließlich den Werbeversprechen der Industrie aufgesessen ist. Bei den in unserer Stadt vorhanden Flächen, die als Grün erhalten werden müssen, scheint mir ein solcher Vorschlag völlig aus der Zeit gefallen.

Anmerkung der Redaktion:
Einen interessanten Beitrag zur Entsorgungsproblematik findet man im Artikel „Friedhof der Kunstrasenplätze“ (Link)