Begründung eines Parteiaustrittes

3. Februar 2021

Die Königs Wusterhausener Fachbereichsleiterin für Bürgerdienste, Ordnung und Familie Ria von Schrötter hat in einem Schreiben an die SPD Fraktion der SVV KW vom 17. Januar 2021 ihre Gründe für diesen Schritt detailliert dargelegt. Da die Berichterstattung in der MAZ vom 19. Januar dies nur stark verkürzt wiedergeben konnte, veröffentlichen wir das Schreiben mit freundlicher Genehmigung der Autorin hier im Wortlaut.
-red-

Zossen, 17.01.2021

Sehr geehrte Mitglieder der SPD-Fraktion Königs Wusterhausen,
nach weit über 30 Jahren Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Deutschland habe ich am 08.01.2021 meinen Austritt aus der SPD erklärt. Im Vorfeld hatte ich die SPD-Fraktion der Stadtverordnetenversammlung zur BV Nr. 10-20-295 um ein Gespräch gebeten. Diesem Anliegen wurde nicht entsprochen. Das finde ich bedauerlich, aber unbenommen dieser Tatsache begründe ich nachfolgend meinen Austritt.

Vorab versichere ich, dass ich meine Entscheidung nicht unüberlegt oder gar leichtfertig getroffen habe. Meine langjährige Mitgliedschaft in der SPD war für mich nicht nur eine politische Verortung, sondern im Besonderen eine moralische Verankerung, die sowohl mein persönliches Handeln geleitet als auch mein berufliches Agieren stets begleitet hat. Ich will sagen, dass dieser Schritt für mich sehr schmerzhaft ist; ich jedoch in Anbetracht der für mich nicht tragbaren Vorgehensweise der Mehrheit der SVV, unter maßgeblicher Beteiligung der SPD-Fraktion, meinen Parteiaustritt für unausweichlich halte.

Die Grundprämisse der SPD, eine am Bürger- und Gemeinwohl orientierte Politik, sehe ich in der Ausrichtung der SPD-Fraktion der Stadt KW nicht mehr gegeben. Stattdessen beherrscht aus meiner Sicht ein persönliches Ränkespiel zwischen verfeindeten Kontrahenten das Geschehen. Auf der einen Seite ein Bürgermeister, welchem ohne Zweifel der Umgang mit etablierten Parteien nicht liegt und welcher sich deren politische Spielregeln nicht zu eigen macht. Auf der anderen Seite ein Zusammenschluss von eigentlich nicht zusammengehörenden Parteien, die in keiner Weise bereit sind, sich auf neue Wege der Zusammenarbeit einzulassen.

Die Feststellung, mit dem Bürgermeister nicht zusammenarbeiten zu können, reicht nicht, um eine Abwahl des Bürgermeisters zu legimitieren. Vielmehr besteht die Aufgabe notwendigerweise darin, sich selbst zu reflektieren und letztendlich auch die eigene Fähigkeit bzw. Unfähigkeit der Zusammenarbeit zu prüfen. Die Feststellung, dass ein „Neuanfang“ mit dem Bürgermeister nicht mehr möglich ist und ein Neuer her muss, der dann vielleicht die Zusammenarbeit möglich macht, ist einfach gedacht und falsch. Was, wenn der auch nicht passt?

Warum wird die notwendige Konsequenz bei einem Scheitern der Abwahl, nämlich der Rücktritt von 25 Stadtverordneten, nicht mitgeliefert? Nur damit würde der Bürgerschaft die Wahl zwischen Alternativen aufgezeigt und bekäme das Dilemma ein Gesicht. So aber beschreibt der Beschluss zum Bürgerentscheid nur, dass den Stadtverordneten entsprochen werden muss, um der Stadtpolitik eine Zukunft zu geben. Es wird vorgeschrieben, dass es für den Bürgerentscheid nur einen einzigen, also alternativlosen, Weg gibt. Die Abwahl hat zu erfolgen, da eine weitere Zusammenarbeit grundsätzlich bereits im Vorfeld des Bürgerentscheids ausgeschlossen wird.

Über diese Argumentation bekommt die Möglichkeit einer Abwahl, den Geruch eines Diktats an die Bürgerinnen und Bürger. Ein Zusammenschluss eigentlich konkurrierender Parteien kommt zum Ergebnis, dass der Bürgermeister nicht tragbar ist, ohne darzulegen, was als Konsequenz daraus resultiert, wenn dem Wunsch der Abwahl nicht entsprochen wird.

Die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit obliegt nicht nur dem Bürgermeister. Sie besteht gleichsam auch für die Stadtverordneten. Die nicht vorhandene Zusammenarbeit findet ihren sichtbaren Ausdruck in der gigantischen Anzahl von Beanstandungen. Ein vernünftiges Miteinander in der Vorbereitung von Beschlussvorlagen hätte dies verhindern können. Das Fassen von rechtswidrigen Beschlüssen und deren Beanstandungen sind in einem Rechtsstaat keine legitimen Mittel zur politischen Auseinandersetzung.

Seit einem Jahr wird somit der Stillstand praktiziert. Und ich behaupte, dass am Beispiel „Kunstrasenplatz“ nicht nur Herr Ennullat den Bogen überspannt hat. Es waren/sind auch weitere 25 Stadtverordnete nicht bereit und willens, die Situation im Interesse von Sportvereinen und sozialen Einrichtungen und letztendlich der gesamten Stadtpolitik zu begradigen. Stattdessen konzentriert sich das Geschehen seit langem auf die Chance, sich einer Person zu entledigen, welche von Beginn an als Bürgermeister ungewünscht war. Das geht so nicht!

Dieses Handeln schadet der Glaubwürdigkeit der gewählten Stadtverordneten. Schlimmer noch, es schadet dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine rechtschaffende Politik und fördert Politikverdrossenheit. In einer funktionierenden Demokratie kann ein gewählter Bürgermeister, nur weil dieser nicht passt, nicht ausgetauscht werden, wenn nachweislich der geforderte Einsatz für eine Zusammenarbeit nicht erbracht wird. Wenn dem so wäre, müsste auch der Hauptverwaltungsbeamte die SVV durch einen Bürgerentscheid abwählen lassen können, wenn diese alle Vorhaben des Bürgermeisters konsequent ablehnt.

Seit spätestens Mai des letzten Jahres wird ein unwürdiges Spiel um Macht betrieben. Rechtswidrig wurde dem Bürgermeister die Führung seiner Amtsgeschäfte untersagt. Nicht ansatzweise erfolgte eine Thematisierung dieser Fehlentscheidung auf Seiten der für diesen Rechtsbruch verantwortlichen Stadtverordneten. Stattdessen wurde die vorgenommene Demütigung billigend in Kauf genommen und von Herrn Ennullat Einsicht verlangt. Wie soll das bitte funktionieren? Das widerspricht dem Einmaleins des Miteinanders.

Nach meiner Auffassung wäre eine entschuldigende Geste der Beweis für den Wunsch nach Rechtmäßigkeit gewesen. Ich bin fest überzeugt, dass damit der Versuch einer gewünschten Verbesserung der Zusammenarbeit hätte dokumentiert werden und gelingen können.

Aber fortgesetzt wird seitdem allem, was von Seiten der Verwaltung zur Lösung von drängenden Problemen vorgebracht wird, im Block entgegengewirkt. Dieses Tontaubenschießen bei der Findung von Lösungsansätzen entbehrt jeder Verantwortung für das städtische Wohl.

Hinzu kommt die wiederholte Aussage, dass Stadtverordnete „nur“ Ehrenamtler seien, denen man grundsätzlich keine umfassende Kenntnis abverlangen kann. Wenn dem so ist – und ich sehe das aus eigener langjähriger Erfahrung in kommunalen Vertretungsgremien auch so – dann muss man der Verwaltung die Chance geben, ihr Wissen an die Stadtverordneten weiterzugeben.
Der Anspruch auf umfassende Kenntnisvermittlung, wie er beispielsweise in der Entwicklung der Bildungsinfrastruktur formuliert wird, ist zwangsläufig mit der Bereitschaft verbunden, sich in Arbeitsgremien zusammenzufinden, in welchen die Auseinandersetzung mit den themenspezifischen Zusammenhängen erfolgen kann. Genau diese Vorgehensweise (Bildung eines „Expertenteams/Unterausschusses oder Ähnlichem) wird jedoch seit Monaten von der Mehrheit der SVV konsequent abgelehnt. Es drängt sich mir der Verdacht auf, dass mit dieser Aussage zum Ehrenamt die Verantwortung für das eigene Handeln abgestritten wird. Ich spreche mein völliges Unverständnis darüber aus, in einer, sich zuspitzenden – ich nenne es Katastrophenlage, diese von Egoismen und verletzten Eitelkeiten durchtränkte Auseinandersetzung zu betreiben. Es ist schlicht und ergreifend verantwortungslos, eine Verwaltung gnadenlos zu diesem Zeitpunkt der Führungsspitze berauben zu wollen. Wir alle befinden uns in einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation, die nur mit Verantwortung und Zusammenhalt bewältigt werden kann. Das Stadtgeschehen benötigt täglich Entscheidungen, die getroffen werden müssen, um allein schon der Eindämmungsverordnung zu entsprechen. Von einem Verständnis dafür ist jedoch wenig bis gar nichts zu spüren. Am Beispiel der unsäglichen seit Monaten anhaltenden Diskussion über die „Unverschämtheit“ der Verwaltung, eine Gefährdungsbeurteilung für Versammlungsstätten vorzulegen, wird deutlich, dass es auch der SPD-Fraktion nicht um die Minimierung von Risiken, sondern vorrangig um den Nachweis von Entscheidungsgewalt geht. Von Beginn des Infektionsgeschehens mit COVID-19 an dient diese weltbeherrschende Pandemie in der Stadtpolitik Königs Wusterhausen als Austragungsthema um Rechthaberei. Die Tatsache, dass es der Verwaltung hier um eine maximal mögliche Risikominimierung geht, wurde und wird negiert.

Ich verstehe nicht, wie ein Landtagsabgeordneter mit Zugehörigkeit zur Regierungspartei morgens im Landtag eine Eindämmungsverordnung beschließt und sie am gleichen Tag abends missachtet und nahezu 100 Menschen (davon die Hälfte hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung uninformierter Zuschauer) entgegen jeder Vernunft in einem Versammlungsort mit attestierter Nichteignung über zwei Stunden Aufenthalt hinaus, ohne Luftaustausch einem Gesundheitsrisiko aussetzt, welches niemand verantworten kann. Das grenzt an organisiertem Rechtsbruch.

Auch die Entscheidung, den Bürgerentscheid völlig entgegen aller Vorgaben der Eindämmungsverordnung inmitten des höchsten Infektionsgeschehens zu initiieren, zeugt von einer nahezu skrupellosen Verantwortungslosigkeit, die nicht nur ich nicht nachvollziehen kann. In konsequenter Fortsetzung der Verantwortungslosigkeit werden damit alle Stimmabgebenden in Wahllokalen einem untragbaren Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Völlig unbeachtet bleibt die Tatsache, dass Landtagswahlen, die im April erfolgen sollten, auf den Herbst verlegt werden, und auch für die Bundestagswahl mögliche, risikoreduzierende Vorkehrungen geschaffen werden sollen.

Ich will keiner Partei angehören, die nicht willens ist, Fehler einzugestehen und nicht bereit ist, alle Möglichkeiten einer konstruktiven Zusammenarbeit zu nutzen.

Ich will keiner Partei angehören, die mir während der rechtswidrigen ‚Beurlaubung’ des Bürgermeisters sagt, dass meine berufliche Zukunft als Fachbereichsleiterin von meinem (Wohl-)Verhalten abhängt.

Mein Beitritt zur SPD vor 35 Jahren war eine Gewissensentscheidung.
Ich kann es heute mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, mit meiner Parteizugehörigkeit die SPD-Politik in Königs Wusterhausen mitzutragen.

Mit freundlichen Grüßen, Ria von Schrötter