Bürgerentscheid | Die Verrohung der Gesellschaft

13. Mai 2021

Ein offener Brief an alle Stadtverordneten von Gesine und Wolfgang Almus (OT Zernsdorf)

Sehr geehrte Stadtverordnete,

Sie haben mit der Mehrheit des SVV-Einheitsblocks während der SVV-Sitzung am 10. Mai 2021 die Gültigkeit des Bürgerentscheids zur Abwahl des Bürgermeisters Ennullat vom 7. März 2021 beschlossen. Aus unserer Sicht ist dieser Beschluss aus mehreren Gründen wieder einmal grob rechtswidrig. Deshalb haben wir eine Rechtsaufsichtsbeschwerde an die Kommunalaufsicht gerichtet, die wir Ihnen zur Kenntnis geben. Weder die Wahlleiterin der Stadt noch der Wahlprüfungsausschuss noch die Stadtverordnetenversammlung haben die Wahleinsprüche vieler Bürgerinnen und Bürger mit der gebotenen Sorgfalt und Unparteilichkeit geprüft. Ohnehin ist es ja schon mehr als äußerst seltsam, dass das eigentliche Entscheidungsgremien, nämlich die Stadtverordnetenversammlung mit ihrer Einheitsblock-Mehrheit, eine Entscheidung über die Gültigkeit des Bürgerentscheids trifft. Schließlich hat ja genau dieser SVV-Einheitsblock mit einer beispiellosen Verleumdungskampagne diesen Abwahl-Bürgerentscheid „angezettelt“. Das ist praktisch so, als würde eine Diebesbande ihr eigenes Gericht bilden und sich selbst bescheinigen, sie habe gar keine Diebstähle begangen. Damit keine Missverständnisse entstehen: Dieses Beispiel soll nicht den Eindruck erwecken, wir halten Mitglieder der SVV-Einheitsfront für kriminell. Es soll lediglich die Problematik illustrieren, dass unser Stadtparlament mit einer beherrschenden Mehrheit über die Gültigkeit des Abwahl-Entscheids zu befinden hat, den sie selbst betrieben hat.

Dem SVV-Einheitsblock, bestehend aus Mandatsträgern der SPD, CDU, der Linken, Bündnis 90/Grünen, „Wir für KW“ etc. und weiteren fraktionslosen Abgeordneten, muss der Vorwurf gemacht werden, dass er seine „Mehrheitsmacht“ seit Jahren missbraucht. Der Stil, mit dem dieser SVV-Einheitsblock mit oppositionellen Fraktionen und oppositionellen Bürgerinnen und Bürgern umgeht, macht fassungslos. Da versteigt sich die Stadtverordnete Nordhaus (SVV-Präsidiumsmitglied) im Zusammenhang mit Wahleinsprüchen von Bürgerinnen und Bürgern zu der Formulierung: „Die Qualität der Einsprüche spiegelt in hohem Maße die Verrohung der Gesellschaft wider. Und ich hoffe, dass wir in Zukunft zu einer besseren Debatten-Kultur zurückfinden.“, von den unflätigen Posts des Stadtverordneten Marx (SVV-Präsidiumsmitglied) während der SVV-Sitzung ganz zu schweigen (siehe unter https://www.schulzendorfer.de und https://www.rbb24.de). Das ist nicht nur weit unterhalb eines jeden „Stammtisch-Niveaus“. Derartige Äußerungen lassen auch eindeutig auf fehlendes Demokratieverständnis schließen. Äußerst beschämend!

Wenn der SVV-Einheitsblock meint, er könne kraft seiner Mehrheit geltendes Recht brechen, so hat das mit Demokratie nichts, aber auch gar nichts zu tun. So geschehen z. B. beim SVV-Einheitsblock-Beschluss zur dreimonatigen Suspendierung des Bürgermeisters Ennullat im Sommer 2020. Ein glasklarer, schwerer Rechtsbruch, wie das Verwaltungsgericht feststellte! Gleichermaßen ist nun die Entscheidung über die Gültigkeit des Bürgerentscheids ein gravierender Rechtsbruch. Bürgerinnen und Bürgern, die Wahleinsprüche eingereicht haben, zu unterstellen, sie seien entweder „rechtsaußen“ oder „verroht“ oder gäben nur „Bullshit“ von sich, lässt eindeutige Rückschlüsse darauf zu, dass es den Mitgliedern der SVV-Einheitsfront an jeglicher Achtung vor uns Bürgerinnen und Bürgern fehlt. So geht man nicht mit Bürgern um, meine Damen und Herren Stadtverordnete der Einheitsfront! Als Mitglied unseres Stadtparlamentes sollen Sie die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger vertreten und das Wohl unserer Stadt „im Auge“ haben, unabhängig davon, wer Sie in das Stadtparlament gewählt hat.

Sie sind, was die Kommunalpolitik in unserer Stadt anbelangt, in vielen Punkten anderer Ansicht als viele Einwohner/-innen und Stadtverordnete unserer Stadt. Das ist Ihr gutes Recht! Meinungsvielfalt und eine sachliche Auseinandersetzung über unterschiedliche Ansichten sind eine der Voraussetzungen, damit eine demokratisch organisierte Gemeinschaft funktioniert. Sie ignorieren leider seit Jahren konsequent die von Ihrer „Einheitsblock-Meinung“ abweichenden Auffassungen sowohl oppositioneller SVV-Fraktionen als auch der Bürgerschaft. Statt sich sachlich und transparent mit abweichenden  Auffassungen auseinanderzusetzen, diffamieren und diskreditieren Sie sie und finden es in Ordnung, wenn Herr Marx sie als „polemischen Spam“ und „Rotz“ bezeichnet.

Wir geben Frau Nordhaus Recht, wenn sie die „Verrohung der Gesellschaft“ beklagt. Diese „Verrohung“ sehen wir auch, aber anders als Frau Nordhaus. Denn Diffamierung und Diskreditierung oppositioneller Auffassungen statt sachlicher Auseinandersetzung spalten die Gemeinschaft unserer Stadt. Sie blockieren die Entwicklung unserer Stadt mit ihren vielen, virulenten Problemen, deren eigentliche Ursachen in kommunalpolitischen Versäumnissen der letzten Jahrzehnte liegen (zum Beispiel fehlende Kita-Bauten, fehlende Schulbauten usw.).

So kann es nicht weitergehen, so darf es nicht weitergehen! Bitte besinnen Sie sich, meine Damen und Herren von der SVV-Einheitsfront! Ein erster notwendiger Schritt dazu ist, dass Sie Ihren rechtswidrigen SVV-Beschluss zur Gültigkeit des Bürgerentscheids aufheben, noch ehe die Kommunalaufsicht dazu eine Entscheidung trifft. Der zweite notwendige Schritt ist, dass Sie mit oppositionellen Stadtratsmitgliedern und mit oppositionellen Bürgerinnen und Bürgern das Gespräch suchen. Es geht nicht mehr darum, wer welche vermeintlichen oder tatsächlichen, schweren oder leichten Fehler in den letzten Jahren begangen hat. Eine objektive Klärung der Sachverhalte ist – angesichts der verhärteten Fronten – kaum leistbar und auch überhaupt nicht zielführend! Es geht um die Lösung zentraler Wachstumsprobleme unserer Stadt. Die erfordert unser aller Kraft!