Verantwortung für die Krise

10. Juli 2020

Redaktion Stadtfunk

Ergänzend zum heutigen MAZ Beitrag stellen wir hier zur umfassenden Information den Redebeitrag von Frau Schulz, 2. Stellvertreterin des Bürgermeisters, bei den Informationen des Bürgermeisters in der Stadtverordnetenversammlung am 6. Juli 2020 im Wortlaut zur Verfügung.

Sehr geehrte Frau Lazarus, sehr geehrte Stadtverordnete, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Gäste, liebe Kollegen und Kolleginnen,

ich nehme diesen Tagesordnungspunkt zum Anlass, Ihnen zu einigen Sachverhalten Informationen bzw. Antworten auf offene Fragen zu geben, die einige Stadtverordnete offensichtlich nicht erhalten haben oder ihnen bekannte Informationen missverstanden bzw. falsch bewertet haben.
Das derzeitige Vorgehen einiger Stadtverordneter im Umgang mit dem Bürgermeister und der Verwaltungsspitze kann ich mir nicht anders erklären. Sie stoßen mit der Beurlaubung des Bürgermeisters die Stadt, die Verwaltung verantwortungslos und ungerechtfertigt in eine Krise, von der sich keiner so schnell erholen wird.
Sie nehmen diese Situation in Kauf, obwohl wir alle gerade durch eine nie dagewesene Krise gegangen sind und diese Krise hat die Verwaltung nur aufgrund des unverzüglichen verantwortungsvollen Handelns unseres Bürgermeisters und das Vertrauen der Mitarbeiter in die Rechtmäßigkeit seines Handelns unbeschadet und ohne Verluste überstanden. Er persönlich hat diesen Krisenstab geführt.
Sie bringen eine stabile Verwaltung ins Wanken und bringen damit die größte Stadt des Landkreises in eine unaufhaltsame Gefahr! Sie nehmen sogar in Kauf, diese Stadt aus Ihrer Hand in die Verwaltung des Landkreises zu übergeben!

Ich möchte deshalb an dieser Stelle kurz auf zwei Sachverhalte eingehen, die seit Wochen in der Stadt als Grund für die Gefahr, die durch unseren Bürgermeister ausgeht, diskutiert werden.

Zu Beanstandungen durch den Hauptverwaltungsbeamten

Beanstandungen sind keine Blockademittel sondern Garant für einen rechtmäßigen Umgang mit den Steuermitteln und dem Eigentum aller Einwohner dieser Stadt. Beanstandungen können vermieden werden, wenn der Bürgermeister in die Lage versetzt wird, an der Vorbereitung der Beschlüsse mitzuwirken. Dazu muss er sie vorher kennen. Die Verwaltung gibt regelmäßig Stellungnahmen zu den Beschlussvorlagen ab – die Hinweise können durch die Stadtverordneten aufgenommen werden. Ich habe mir die Mühe gemacht, für Sie ein paar Zahlen zusammenzustellen, die Sie gerne auf sich wirken lassen dürfen und Ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen können.
Seit dem 18.10.2017 bis zur Sitzung am 22.6.2020 wurden 676 Beschlüsse beraten, beschlossen oder abgelehnt.
Die Anzahl der durch den Bürgermeister, Herr Ennullat, beanstandeten Beschlüsse bis zur Sitzung am 2.5.2020 beträgt genau sieben, darunter das Haus des Sports, der Grundsatzbeschluss zur Grundschule Senzig und der Kunstrasenplatz für den FSV Eintracht.
Das sind genau 1,04 %.
Davon wurden drei Beschlüsse nicht erneut gefasst und vier erneut beanstandet und zur Streitentscheidung der Kommunalaufsicht vorgelegt.
Seit dem 2.5.2020 wurden weitere dreizehn Beschlüsse beanstandet davon elf durch den allgemeinen Vertreter und zwei durch die 3. Stellvertretende Bürgermeisterin.
Die Quote der seit dem 2.5.2020 beanstandeten Beschlüsse ist deutlich höher als in den zweieinhalb Jahren zuvor. Das liegt vor allem darin begründet, dass alle Beschlüsse nicht in den Ausschüssen vorberaten wurden und die Verwaltung nicht in die Erstellung der Beschlussvorlagen einbezogen wurde. Insgesamt wurden also seit dem 18.10.2017 20 Beschlüsse von 676 beanstandet. Das sind drei Prozent, davon hat der Bürgermeister selbst sieben Beschlüsse, also ein Prozent, beanstandet, und dreizehn Beschlüsse, damit zwei Prozent, wurden durch seine Vertreter beanstandet.
Davon liegen Inzwischen dreizehn beanstandete Beschlüsse zur Streitentscheidung bei der Kommunalaufsicht, zwei davon seit März 2019. Eine Entscheidung durch die Kommunalaufsicht gab es bisher in keinem Fall.
Es stellt sich für uns die Frage, warum trifft denn die Kommunalaufsicht nicht diese Entscheidungen, wenn die Sachlage jeweils anscheinend so klar ist, wie öffentlich zum Ausdruck gebracht wird? Warum fordern Sie, sehr geehrte Stadtverordnete, sich diese Streitentscheidung nicht ein? Es geht doch schließlich um ihre Beschlüsse?

Zur Gefährdungsbeurteilung

Die Grundlage für die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung ist das Arbeitsschutzgesetz. Das Arbeitsschutzgesetz gilt gleichermaßen für Angestellte und Beamte, wie für Arbeitgeber und Dienstherren/Dienstvorgesetzte. Unbenommen bleibt, dass Frau Lazarus nicht Dienstvorgesetzte der Stadtverordneten ist, aber sehr wohl für den Bürgermeister als Beamten, sie vertritt die SVV als Kollegialorgan, ist damit auch verantwortlich im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes für die Beurteilung des jeweiligen Arbeitsplatzes im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung nach § 3 Arbeitsschutzgesetz.
Dieser Pflicht sind Sie, Frau Lazarus, bis heute im Übrigen nicht nachgekommen, trotz mehrmaliger Hinweise, auch auf die mittlerweile bußgeldbewährte Verpflichtung zur Vorhaltung einer Gefährdungsbeurteilung entsprechend der SARS- CoV-2 Umgangsverordnung.
Ausweislich des Protokolls und unter Anwesenheit des Kämmerers Herr Böhm, zur Krisenstabssitzung der Hauptverwaltungsbeamten beim Landrat hat Frau Rieckhoff in Vertretung des Landrates diese Pflicht zum Beispiel auch für die Kreistagssitzungen bejaht.
Ich habe diese Arbeitgeberpflicht nach § 3 des Arbeitsschutzgesetzes vom ehemaligen Bürgermeister Herrn Dr. Franzke am 29.5.2017 als verantwortliche Vertreterin der Dienststelle übertragen bekommen und habe im Rahmen dieser Verantwortung auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes, des Gesetzes zur Verhütung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG), der DGUV-Vl „Grundsätze der Prävention“ u. a. sowie der jeweils gültigen Eindämmungsverordnung – hier § 3 Abs. l Ziff.3 SARS-CoV-2-UmgV – eine Gefährdungsbeurteilung für Infektionslagen für das Rathaus und auch die Paul-Dinter-Halle als Arbeitsplatz für die Verwaltung einschließlich Behördenleiter Herrn Ennullat, erstellt.
In Bezug auf die Durchführung einer Stadtverordnetenversammlung habe ich von Beginn an die vom Landkreis (Gesundheitsamt) und RKI zur Verfügung gestellte „Checkliste“ für Veranstaltungen für die Risikobewertung zugrunde gelegt. Diese ist auch Anlage zur Gefährdungsbeurteilung vom 15.5.2020.
Danach ist das Risiko für eine Veranstaltung, die länger als vier Stunden dauert, als sehr hoch einzuschätzen. Ein geringes Risiko geht bei einer Veranstaltungsdauer von unter einer Stunde aus. Dies ist unter Zugrundelegung einer normalen Tagesordnung einer SW, selbst bei jeweils organisierter Fortsetzungssitzung am folgenden Tag nicht realistisch.
Nach pflichtgemäßem Ermessen, nach Abstimmung mit den Fachbereichsleiterlnnen und dem Bürgermeister sowie nach Rücksprache mit benachbarten Kommunen, wie zum Beispiel Lübben (hier wurde zunächst eine Begrenzung auf eine halbe Stunde vorgenommen), habe ich mich für die Sitzungsdauer von maximal zwei Stunden je Sitzungstag (bei zwei Sitzungstagen sind das auch vier Stunden) entschieden.
Natürlich kamen die telefonischen Auskünfte des RKI an Frau von Schrötter dabei unterstützend, aber eben nicht maßgeblich, zum Tragen. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass nach § 3 Abs. l Ziff.3 SARS-CoV-2-UmgV eine Veranstaltung in der Paul-Dinter-Halle eigentlich gar nicht durchgeführt werden dürfte, da hier der Austausch der Raumluft durch Frischluft nicht gewährleistet werden kann.
Nur mangels einer räumlichen Alternative und auf Grund der fehlenden Entscheidung der SVV eine Alternative zur Durchführung der Sitzung im Rahmen des Kommunalen Notlagengesetzes durchzuführen, haben wir uns entschieden, einer weiteren Durchführung der SVV mit der zwei Stunden Begrenzung (als Alternative zur gänzlichen Versagung) zuzustimmen.

Diese Ausführungen habe ich zuletzt per E-Mail an Frau Lazarus am 15.6.2020 mit Blick auf die anstehenden Sitzungen am 18.6. und 22.6.2020 vorgetragen. Auf diese vor jeder Sitzung seit dem 2.5.2020 vorgetragenen Ausführungen ist Frau Lazarus nie eingegangen, auch dann nicht, wenn andere Stadtverordnete sie auf die Dienstherrenpflichten im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes hinwiesen. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Verwaltung für jede seit dem 2.5.2020 an diesem Ort stattgefundene SW jeweils alle Rahmenbedingungen für eine Fortsetzungssitzung am Folgetag geschaffen hat. Eine Teilnahme und Begleitung der Sitzung war und ist sie also immer für vier Stunden sichergestellt. Auch diese Information hatte die Vorsitzende jedes Mal.

Bitte entschuldigen Sie den Umfang der Informationen, aber eine Klarstellung der vorgetragenen Sachverhalte erschien mir in diesem Rahmen dringend geboten.