Wem nützt der Königspark?

26. November 2023

Dr. Marina Kreisel, Zeesen

Offener Brief an die KWer Stadtverordneten

Sehr geehrte Stadtverordnete, besonders die Sie sich für das Königspark-Projekt (DLE) erwärmen,

kaum hatte ich den folgenden Beitrag fertiggestellt und im „Stadtfunk-KW“ veröffentlicht  – https://www.stadtfunk-kw.de/ein-staedtebaulicher-vertrag-fuer-den-koenigspark/  –, dieses oder jenes Argument aus der Debatte aufgreifend und überprüfend sowie eigene Bedenken darstellend, da erschien ein Artikel in der MOZ unter der Überschrift „Sind 2000 neue Wohnungen noch zu retten?“. Ort der Handlung ist Bernau, jene Stadt, in der Frau Hirschfeld in jüngerer Vergangenheit als Stadtplanerin tätig war. https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/panorama/2022/09/gartenstadt-bernau-wetown-heeresbekleidungsamt-bauprojekt.html Dort ging es diesmal beim Bebauungsplan  vor allem um Probleme mit dem städtebaulichen Vertrag. Letzterer ist nach Auffassung einzelner Stadtverordneter in Übereinstimmung mit Bürgermeisterin/Vize-Bürgermeisterin von KW ein sehr sicheres Instrument im Umgang mit dem Investor, zur verlässlichen Realisierung eines Bauprojektes. Davon ist mancher an anderen Orten – vom Baugesetzbuch ausgehend – ebenfalls überzeugt. In Bernau klopfte allerdings gerade die Realität unsanft an die Tür, nachdem der genannte Vertrag erst kürzlich ausgearbeitet worden war. Einzelheiten aus den Beschlussvorlagen: siehe Vorlage, TOP Ö 9.1. Änderungen des Beschlusses SVV 7/2020901/8.2 zum städtebaulichen Vertrag zum Bebauungsplan zum „Wohngebiet westlich Schwanebecker Chaussee“ vom 1. September 2022). Vielleicht nützen Artikel und Bernauer Verwaltungsunterlagen Ihrer eigenen Problemsicht und Entscheidung? Möglicherweise  eignet sich dafür außerdem eine jüngste Studie, die verdeutlicht, dass das auch in unserer SVV gern wiederholte Mantra BAUEN, BAUEN, BAUEN  in seiner Pauschalität nicht zutreffend ist für die Lösung von Wohnungs(bau)problemen vornehmlich in Ballungsräumen der Bundesrepublik; denn die Ursachen dafür liegen tiefer, sind vielfältiger. (Da machen wir in KW wohl keine Ausnahme.) https://www.finanzwende-recherche.de/wp-content/uploads/Immobilien_Report_20231107-1.pdf Neue Erkenntnisse hieraus dürften immer wieder möglich sein, hin zur Veränderung der eigenen Position – oder auch nicht.

Ich kenne die von Ihnen in mehreren kommunalpolitischen Gremien erfolgte Ankündigung – allein von der Linken-Fraktion einstimmig  vertreten –,  den Beschlussvorlagen zum Königspark-Projekt (DLE) zustimmen zu wollen: für ein innovatives, ökologisches Mischgebiet „mit rund 2500 Wohneinheiten in einem an einer sozialen Mischung orientierten Wohnraumangebot“ (Beschlussvorlage Nr. 61-23-249, S. 4). Was hier wirklich ökologisch ist und was nicht, das sei meinerseits an dieser Stelle nicht zu erörtern versucht. Aber Ihre angekündigte Zustimmung halte ich insofern für bemerkenswert, als Sie damit zugleich eine Entwicklung befürworten und unterstützen – obwohl anders begründet und Abweichungen versuchend –, die sich in oben genannter Studie folgendermaßen widerspiegelt:

„Die Präsenz institutioneller Anleger*innen, also Banken, öffentliche Pensionskassen, private Rentenfonds, Stiftungen, Family Offices und Versicherungsgesellschaften auf den Wohnimmobilienmärkten, hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Eine Untersuchung der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt nun außerdem, dass die Aktivitäten institutioneller Anleger*innen einen signifikanten Einfluss auf die Preisentwicklung auf dem Wohnimmobilienmarkt haben. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass in Regionen, in denen institutionelle Anleger*innen aktiver sind, die Immobilienpreise in der Regel schneller steigen.“ (S. 39-40)  https://www.finanzwende-recherche.de/wp-content/uploads/Immobilien_Report_20231107-1.pdf

Ich bin mir nicht sicher, ob sich ein jeder, eine jede von Ihnen einer solcher Einordnung und Wirksamkeit seiner Entscheidung voll bewusst ist. (Ich vernehme öfter anderes.) Und der Projektentwickler (DLE) ist kein derartiger Aufklärer, er lenkt Sie und die Bevölkerung in eine andere Richtung der Aufmerksamkeit; er will den „Zuschlag“, den veränderten B-Plan, ist das Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell doch Teil der oben genannten Entwicklung, profitiert von ihr und treibt sie gemeinsam mit anderen weiter voran. https://www.dle.ag/…/2023_11_14_DLE_PM… Auch ein erneutes Interview mit der Projektleiterin Petra Müller, das der Stadtverordnete Michael Reimann als Projektbefürworter führt (siehe „KW-Express“, Jahresendausgabe 2023, S. 2-3), enthält in dieser Hinsicht keine aufklärerischen Aussagen oder Fragen, etwa zur Finanzierung  der gern  angeführten Forsa-Bürgerbefragung. Immerhin: Laut Mathias von Bredow ist der Wirtschaftsrat des CDU-Landesvorstandes Berlin-Brandenburg daran beteiligt. Und die Ergebnisse der Umfrage werden dort längst nicht mehr nur auf Königs Wusterhausen bezogen, wenn es dazu heißt, sie „seien auf andere Standorte mit ähnlichen Rahmenbedingungen übertragbar“ und es sei „wünschenswert, wenn solche Projekte auch an anderen Standorten geplant würden“. („Gemeinsam stark.“ in: Berliner Morgenpost, 22.11.23, S.7). Auch Angaben zur Vita und zum Kontaktraum von Petra  Müller – am Rande des Gesprächs  von Michael Reimann notiert – erscheinen mir nicht aufklärend genug; sie enden 2013 und lassen unerwähnt, dass Petra Müller nicht nur Head of Conceptual Development & Communication bei DLE Land Development GmbH ist, sondern zudem Vorsitzende des Vereins Liberale Immobilienrunde, nach Selbstdarstellung der „Sprachkanal der liberalen Immobilienwirtschaft“. Es scheint mir aufschlussreich zu sein, sich damit ein wenig genauer zu befassen. https://www.liberale-immobilienrunde.eu/  Oder hier im Sozialen Netzwerk LinkedIn: https://de.linkedin.com/posts/dle-land-development-gmbh_gestern-veranstaltete-die-liberale-immobilienrunde-activity-7019703545394298880-fK81?trk=public_profile_like_view

Sehr geehrte Stadtverordnete, Ihr Ja zum Königspark-Projekt wäre letztlich wohl zugleich ein Ja zum Entwicklungsstrang Neocity – Dahmestadt. https://gemeinde-schoenefeld.de/news/aktuelles/neocity-studie-mit-der-bahn-durch-die-boom-region/ Das Königspark-Projekt selbst soll ja nur ein Baustein sein in einem großen Plan, den nicht  Bürgerinnen und Bürger unserer Kommune erwogen, entwickelt, gewünscht haben – sie sind nicht wirklich danach gefragt worden. Nein, das Rad drehen ganz andere, gewissermaßen Weltbürger aus Bau- und Immobilienbranche, Architekten, Investoren, private Initiativen, Mitglieder von Vereinigungen. https://realacestudio.de/neocity/                   https://www.zeit.de/kultur/2022-01/stadtentwicklung-stadtplanung-zwischenstadt-architektur. Die Idee wird mit einem Narrativ (!) Neocity verbunden im Sinne einer möglichst zündenden, überzeugenden, plausibel wirkenden, reizvollen, werbenden Erzählung; sie läuft hinaus auf eine weitere Verstädterung des ländlichen, touristischen Raums vor den Toren Berlins, auf Verluste von Naherholungsgebieten für die Bevölkerung, auf eine heranwachsende Großstadt. https://www.dle.ag/wp-content/uploads/2023/11/2023_11_14_DLE_PM-Aufstellungsbeschluss-fuer-Gewerbegebiet-Wassmannsdorfer-Tor-in-Schoenefeld-gefasst.pdf. Und Verwaltungen, Wirtschaftsverbände, Politik der verschiedenen Ebenen zeigen sich offen dafür, lassen sich dafür gewinnen. https://gemeinde-schoenefeld.de/news/aktuelles/neocity-studie-mit-der-bahn-durch-die-boom-region/.
Tageszeitungen wie die MAZ übernehmen diese Erzählung häufig und verbreiten sie in journalistischem Gewande, angelehnt an Pressemitteilungen von Immobilienunternehmen (siehe DLE). Gegentendenzen sind in diesem Kreis meines Erachten kaum auszumachen. Bürgerinnen und Bürger wiederum (einschließlich Stadtverordnete) können meist – schon gar nicht am Anfang – erkennen, was da wirklich passiert, wohin die Reise gehen soll – insbesondere im Interesse von Investoren, verbandelt auf verschiedene Weise mit den anderen Akteuren. So wird eine Kommune leicht zum Spielball anderer, kommunale Selbstverwaltung hin oder her.

Schließlich gebe ich hier heute auch zu bedenken (manches andere ist bereits zuvor erfolgt), dass die Entwicklungsstränge – Neocity, Dahmestadt, Königspark als Mischgebiet – Ausdruck für ein massives, nicht für ein behutsames (!) Wachstum sind, das die Leitlinie von KW anzustreben behauptet. https://www.neocity.de/ Und ich gebe auch – bisher meines Erachten zu kurz gekommen – den Zusammenhang zu bedenken, der besteht zwischen einem fortgesetzten Wachstum von Königs Wusterhausen und einer Verschuldung des kommunalen Haushalts. Die vor wenigen Tagen mehrheitlich in der SVV beschlossene „leichte“ Erhöhung der Grundsteuer zeugt davon – sie ist gerade als zwingend dargestellt worden wegen der kostenintensiven Pflichtaufgaben und der damit verbundenen Ausgaben, die sich aus der Entwicklung unserer Kommune ergeben. (Siehe Stefan Ludwig: Die Zukunft der Grundsteuer in  KW. In: „KW-Express“, Jahresendausgabe 2023, S.4) Und sie trifft Grundstückseigentümer sowie Mieter. (Das wird wiederholt geschehen, erst recht mit einem Zuwachs von rund 5.000 Neubürgern.) Damit werden zugleich Kosten innerhalb der Einwohnerschaft aus KW erhöht, gegebenenfalls als Teil einer auch sie ereilenden, individuellen Verschuldung (über weitere Lebenshaltungskosten, Insolvenzen, Arbeitslosigkeit, Krankheit usw.) Die von Ihnen unterstütze Politik – hier auch in Gestalt des Königspark-Projektes – ist allerdings ein relevanter Beitrag zur Kapitalakkumulation (dem Grundprinzip des Kapitalismus), die durch Wachstum gespeist wird. (Jürgen-Michael Reimer: Der absurde Kapitalismus. 2023, S. 77 ff.) Es gibt also Gewinner – allerdings  ganz bestimmter Couleur, mit anderem Wohnort. Aber welcher Stadtverordnete, welcher Bürgermeister ist von ihnen gewählt worden?