Königspark – Drängende Fragen zum Selbstbindungsbeschluss der SVV am 25.9.2023

24. September 2023

Dr. Marina Kreisel, Zeesen

Ein offener Brief an alle Stadtverodneten

Sehr geehrte Stadtverordnete,

morgen werden Sie über den Selbstbindungsbeschluss für den Königspark abstimmen, gerichtet auf eine Idee, die im Falle einer mehrheitlichen Bejahung verwirklicht werden soll. Aber können Sie sich selbst erklären, wie die Idee eines neuen Stadtteils von Königs Wusterhausen überhaupt entstanden ist? Von wem sie stammt? Von Ihnen, Ihren Nachbarn, Kollegen? Aus der Stadtverwaltung? Welche Veränderungen es gegenüber dem abgelehnten Projekt Königspark 2018 gegeben hat und welche nicht? Ist Ihnen klar, wer Ihre aufklärenden Experten diesmal  sind, woher sie kommen? Und was für Mittel, was für Argumente zur Realisierung der Idee genutzt werden?

Eine Bundestagsabgeordnete mit Innen- und Außensicht auf Wohnungsbaupolitik, die über derartige Prozesse kritisch zu reflektieren vermag, stellt nach einer Analyse fest: „Wir haben gesehen, wie sehr sich Politik an Eigeninteressen orientiert und welche Rolle Mythen und Emotionen spielen. Doch auch die entstehen nicht im luftleeren Raum. Auch Ideen werden produziert. Von wem? Nicht zuletzt von der Lobby. Und für deren Einfluss sind Politiker*innen anfällig. Je komplizierter das Thema, umso mehr.“ (Caren Lay: Wohnopoly …2022). Davon scheinen mir leitende Personen aus der Stadtverwaltung ebenfalls nicht frei zu sein.

Ja, das Thema Königspark ist äußerst kompliziert. Ja, es erhält viel organisierten Diskussionsraum, vielleicht mehr als jedes andere Thema, besonders mit Experten der  Development GmbH (DLE) – allerdings sind sie Entwicklerinnen und Entwickler dieses Projekts, das mit Interesse an seiner Befürwortung; das macht auch ihre Diskussionsbeiträge, ihre Strategie, Argumente  – trotz betonter Objektivität – interessengeleitet. https://www.dle.ag/de/ Andere Fachleute mit Gegenpositionen treten nicht auf. Zudem können Diskussionen mit der DLE zeitweilig den Eindruck hinterlassen, sie seien eben nicht ergebnisoffen angelegt; denn die Konzentration der professionellen Akteure richtet sich von Anbeginn im Grunde auf die Verbesserung, Passfähigkeit und Akzeptanz der Konzeption, nicht auf ihre Infragestellung. Und ungeachtet der bisherigen Diskussionen bleiben erkennbare zentrale Fragen, auf die es für eine Kommune und ihre Bürger ankommt, unbeantwortet. Auch sind teilweise wechselnde, sich widersprechende PRO-Argumente der Befürworter meines Erachtens längst nicht ausreichend auf ihre fehlende Stimmigkeit abgeklopft, neu auftretende Bedingungen, Probleme unter der vom Bundeskanzler ausgerufenen „Zeitenwende“ zu wenig bedacht worden (und da rede ich noch nicht einmal von einer möglichen Ausweitung des Ukraine-Krieges auf Deutschland, die das Königspark-Projekt ohnehin begraben dürfte). Und deshalb wären aus meiner Sicht – auch im Anschluss an den bereits existierende Grundsatzbeschluss 2022 – grundlegende, solide Voraussetzungen nicht gegeben für einen Selbstbindungsbeschluss, wie er Sinne des Rahmenplans „Quartiersentwicklung Königspark“ als städtebauliches Konzept gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB als Arbeitsgrundlage gelten soll; denn ihm folgende, vorgesehene Schritte – gemeinsam mit der DLE als Projektentwickler für den Eigentümer S.a.r.l 6 Group gegangen – zielen auf die Entwicklung des Königsparks in der Größe einer Kleinstadt. https://www.stadtfunk-kw.de/fragen-informationsveranstaltung-zur-quartiersentwicklung-koenigspark/

Auch ich als Einwohnerin beteilige mich am Diskussionsprozess zum Königspark immer wieder unter verschiedenen Aspekten mündlich und vornehmlich schriftlich.
https://www.stadtfunk-kw.de/die-linke-und-der-wohnungsbau/
https://www.stadtfunk-kw.de/eine-staedtische-neuplanung-des-koenigsparks-2022-und-ein-paar-dicke-fragezeichen/
https://www.stadtfunk-kw.de/der-koenigspark-und-die-transparenz/
Im folgenden Textteil stelle ich einige Aussagen in den Mittelpunkt, die wiederholt von Befürwortern des Projektes Königspark in der SVV argumentativ verwendet werden, und kommentiere sie:

1. In Königs Wusterhausen seien Wohnungen z. B. für Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Erzieherinnen und Erzieher nötig (Michaela Wiezorek), also Wohnungen für mittlere Einkommensbezieher (von Niedrigverdienern, Rentnern mit geringer Rente, Arbeitslosen ist hier schon gar keine Rede mehr.) Aber die Mietbelastungsgrenze – sozialwissenschaftlich mit 30% des Einkommens veranschlagt – ist hier wie etwa in Niederlehme mit wenigstens 17 € Miete pro qm deutlich überschritten; die geplanten Wohnungen kommen selbst für diese qualifizierten Berufsgruppen – und der Kreis lässt sich mühelos erweitern – nicht infrage, bzw. sie zögern, sich einer derartigen finanziellen Belastung auszusetzen, zumal weitere, auch steigende Lebenshaltungskosten anfallen. Und der Selbstbindungsbeschluss liefert auch keine andere Aussage bezüglich niedrigerer Mieten. Da heißt es lediglich unverbindlich: „Bei der Wohn- und Quartiersentwicklung wird eine ausgewogene soziale Mischung durch unterschiedliche Wohnformen und Gebäudetypen angestrebt.“ (Was heißt das genau? Was heißt es nicht?) Wer also würde hier künftig wohnen, wie sähe die soziale Zusammensetzung dieses großen Stadtteils dann aus? Und wie würden die dortigen Mieten – ggf. weiter steigend – sich auf die Miethöhe in der Kommune insgesamt auswirken?

2. Mieten seien für Neubauten angesichts derzeitiger Baukosten nicht mehr unter 15 € möglich, auch nicht in Wohnungsgesellschaften (Christian Dorst). Folglich kämen für die im Königspark geplanten Wohnungen fast nur Besserverdienende als Mieter infrage – ähnlich wie in der Scheederstraße, ähnlich wie in Niederlehme, ähnlich wie in… Würden Neubauwohnungen – derartige Baukosten vorausgesetzt – künftig auch in KW für mehrere Gruppen von Bürgern gänzlich entfallen? Ist eine Ghettoisierung per Ökonomie (Miethöhe) auf Kosten sozialer Ausgewogenheit der Bewohner das Ziel von Stadtentwicklung in KW auf der Basis des BauGB § 1 Abs. 5? Das Ziel gewählter Stadtverordneter?

3. Spekulationen hinsichtlich des fortgesetzten Verkaufs der Flächen – ein Preistreiber für Mieten –  könnten mittels Selbstbindungsbeschluss erschwert bzw. unterbunden werden (Christian Dorst). Ja, für die in Rede stehenden unbebauten Flächen mag das zutreffen, jedoch wären  die laut Projekt dann entstandenen Grundstücke mit Häusern und Zubehör  ebenfalls eine verkäufliche Ware; sie wird je nach Bedingungen, Möglichkeiten und Zielen von Immobilienunternehmen veräußert. Vielleicht schauen Sie sich zu diesem Zweck doch noch einmal Geschäftsmodelle von Vononia und Adler Group an, da zeigt sich, wie mit Wohnungen umgegangen und spekuliert wird und welche Rolle den Mietern zugedacht ist.
https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2023/08/berlin-adler-group-austritt-wohnungsbuendnis-wohnungen-mieterhoehung.html
https://www.vonovia.com/ueber-uns/unternehmen/geschaeftsfelder

4. Mit der DLE (und S.a.r.l Group 6) hätten wir ein solides Unternehmen an unserer Seite, es sei noch virulent am Markt und wolle das Projekt Königspark weiterhin verfolgen – das in einer Situation, da sich dort gerade alles ändere, für uns sonst keine großen, soliden Vorhabenträger vorhanden seien  (Sylvia Hirschfeld, Michaela Wiezorek). Aber woher weiß die Stadtverwaltung, woher wissen Sie, wie solide dieser Partner tatsächlich ist? Haben Sie tiefe Einblicke in seine Geschäftsberichte, Bücher, Kreditbeziehungen, wirtschaftliche Lage, seine sonstigen Aktivitäten usw.? https://berlinboxx.de/bundesfinanzminister-christian-lindner-beim-kamingespr%C3%A4ch-der-liberalen-immobilienrunde-(lir)-absage-an-spekulationssteuer-ohne-begrenzung.html
Oder lassen Sie sich bei der Bewertung des Unternehmens vornehmlich leiten von seiner Selbstdarstellung, von der Fremddarstellung in Medien, von seinem professionellen Auftritt und Engagement in den organisierten Veranstaltungen hier in KW? Und wenn ich es richtig verstehe, soll es für längere Zeit in einem andauernden Prozess in KW tätig sein? Also solvent bleiben? Und wenn nicht, was geschieht dann mit diesem MEGA-Projekt? Ist sein Risikopotenzial bezüglich einer mittelfristigen Realisierung des Projektes Königspark nicht besonders hoch, das unter eben veränderten Bedingungen am Markt, in der Gesellschaft?
Tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/adler-group-immobilien-verlust-portfolio-100.html

5. Wir können steuern und gestalten (Michala Wiezorek, Tobias Schröter, Ludwig Scheetz). Aber dafür, dass sich Stadtverwaltung und Stadtverordnete in behauptender Weise in dieser günstigen Position sehen, lassen Sie sich doch in erheblichem Maße auf Forderungen des Unternehmens/der Unternehmen ein, etwa was Dichte und Höhe der Bebauung betrifft, damit es sich für die Firmen rechnet. Doch woher wissen Sie, ob und wann es sich rechnet? Und inwiefern ist es Aufgabe einer Kommune und seiner gewählten Vertreterinnen und Vertreter, dass es sich für Unternehmen rechnet? Hier steht doch etwas auf dem Kopf. Was also steuern und gestalten Verwaltung und SVV genau, was nicht? Wer veranlasst in der sozialen Infrastruktur im Projekt Königspark den Bau von Kitas, Schule, wer bezahlt das jeweilige Objekt?

6. Die Alternative zum Königspark als einem mischgenutzten Quartier (Wohnen, Gewerbe, Infrastruktur, Gemeinschaftsbedarfsflächen sowie öffentliche Nutzung) ist ein bereits seit Jahrzehnten existierender B-Plan für den Königspark, das als ein ausschließliches Gewerbegebiet am nördlichen Eingangstor von KW,  (1992, 3. Änderung 2018), mit Nachteilen, besonders in städtebaulicher, aber auch in verkehrlicher Hinsicht: mögliche Errichtung hoher, langer, großer Logistikhallen, zusätzlicher Berufsverkehr und Lkw-Verkehr (Michael Reimann, Tobias Schröter, Michaela Wiezorek).  Allerdings: Beide Nutzungen – einerseits Mischgebiet, andererseits Gewerbegebiet – weisen Vor- und Nachteile auf. Ich betrachte beides als für nicht ausreichend aufgelistet für den konkreten Fall Königspark. Die Konzentration verbleibt mittels Konzeption der DLE durchgängig beim Mischgebiet. Die Begründung erscheint mir widersprüchlich; denn während die DLE ihr Umschwenken auf die Nutzung  Mischgebiet mit langjährigem Desinteresse gegenüber Gewerbeflächen angibt, werden in der Realität  laut IHK Potsdam Gewerbeflächen in der Haupstadtregion verstärkt nachgefragt. Zudem verändern sich bauliche Gestaltung und Mobilität in Gewerbegebieten.
https://www.ihk.de/blueprint/servlet/resource/blob/5779900/951a61705bd7cb7784e1544223c5587b/gewerbegebiete-zukunft-data.pdf

7. Es reiche, wenn nur die Ortsbeiräte von Diepensee und Königs Wusterhausen als direkte Nachbarn des Königsparks eine offizielle Äußerung zur Beschlussvorlage Selbstbindungsbeschluss abgeben dürfen; ohnehin hätten für das Thema Königspark verschiedene Diskussionsmöglichkeiten bestanden (Michaela Wiezorek). Nur: Es sind beide Ortsteile zwar besonders (vor allem Diepensee, Vertriebene des BER), jedoch nicht allein betroffen. Im Sinne der Teil-Ganzes-Beziehung, die zwischen den Ortsteilen auf unterschiedliche Weise besteht und wirksam ist, scheint das Meinungsbild aus anderen Ortsbeiräten als offiziellen Gremien ebenfalls angebracht zu sein. Sie sollten dieses Mitspracherecht meines Erachtens einfordern.

Übrigens: Von einem „musealen“ Zustand unserer Kommune, vor dem unsere Bürgermeisterin gern warnt – auch mit Blick auf den Königspark –, kann bei genauer Betrachtung nicht die Rede sein. Sie entwickelt sich auch seit 1990 – unabhängig von den jeweiligen Akteuren in Behörde und kommunalpolitischen Gremien – fortgesetzt, mit Widersprüchen, Defiziten, Fehlplanung, aber ohne jenen radikalen städtebaulichen, risikoreichen Bruch, wie ihn das Königspark-Projekt für unsere Kommune wohl erstmals bedeuten würde (Neocity im Hintergrund). Ruinöse Fehlentscheidungen in Kommunen liegen bereits vor und verschuldete Haushalte wegen zu starken Wachstums ebenso.

Ich wiederhole: Für einen Selbstbindungsbeschluss zum Königspark sehe ich die erforderlichen Voraussetzungen nicht als gegeben.

Sehr geehrte Stadtverordnete, ich bitte um Entschuldigung für diesen längeren Text. Aber ein so kompliziertes Projekt lässt sich nicht eben nicht mit drei Sätzen (oder drei Minuten Redezeit) erledigen. Deshalb erreicht er sie auch erst heute.